Den Ring mag ich tragen

Anlässlich seines jüngsten Konzerts in Basel
erhielt Heinz Holliger den Alban-Berg-Ring

 

Von Peter Hagmann

 

Die Grössten unter den Schauspielern tragen den Iffland-Ring. Der Schweizer Bruno Ganz zum Beispiel, der ihn 2004 empfangen hat und ihn nach seinem Tod 2019 mittels testamentarischer Verfügung erst an Gerd Voss und nach dessen Ableben an Jens Harzer weitergeben liess. Denn so lautet die Regel: Der Iffland-Ring wird auf Lebenszeit verliehen, der Träger hat jedoch die Pflicht, einen Nachfolger zu bestimmen.

Ring-Übergabe: Maximilian Eiselsberg und Heinz Holliger / Bild Benno Hunziker, Alban-Berg-Stiftung Wien

Vergleichbares gibt es auch in der Musik. 2021, mitten in der Pandemie, schuf die 1969 gegründete Alban-Berg-Stiftung in Wien den Alban-Berg-Ring. Das Prozedere ist dasselbe wie beim Iffland-Ring. Auch der Alban-Berg-Ring wird auf Lebenszeit verliehen, und auch hier ist der Ausgezeichnete gehalten, innerhalb einer kurzen Frist für den Fall seines Todes einen Nachfolger zu benennen. Die Auszeichnung ist für Musiker bestimmt, die sich in besonderer Weise um das Schaffen Bergs verdient gemacht haben, die sich durch ihr Engagement für neue Musik hervorgetan oder besondere Verdienste um die Förderung des künstlerischen Nachwuchses erworben haben. Zum ersten Träger des Alban-Berg-Rings wurde 2021 der damals 95-jährige Friedrich Cerha gewählt. Das lag auf der Hand, hat sich Cerha durch die Ausarbeitung des Fragment gebliebenen dritten Akts von Bergs Oper «Lulu» bleibende Verdienste erworben.

Nach Cerhas Tod Anfang 2023 hatte Daniel Ender als Generalsekretär der Alban-Berg-Stiftung die Aufgabe, bei der Witwe Gertraud Cerha anzuklopfen und um die Rückgabe des Rings zu bitten. Zudem wurde der von Cerha hinterlegte und im Safe der Stiftung aufbewahrte Briefumschlag geöffnet, dem der Name des von Cerha erwählten Nachfolgers zu entnehmen war. Ein Moment der Spannung habe über der Sitzung des Kuratoriums gelegen, so Maximilian Eiselsberg, der Präsident der Alban-Berg-Stiftung, und Überraschung sei eingetreten, aber Cerhas Wahl habe auf Anhieb überzeugt. So ist der Alban-Berg-Ring jetzt an Heinz Holliger gegangen.

Ausgezeichnet. Stimmig. «Niemand unter den Lebenden reicht an den Namensgeber dieses Rings heran, aber der von mir Nominierte vereint als ernst zu nehmender Komponist und sehr engagierter ausübender Musiker Qualitäten, die ihn der Ehre würdig erscheinen lassen.» So schrieb es Friedrich Cerha. Tatsächlich ist Heinz Holliger, darin Cerha verwandt, ein universell tätiger Musiker: Oboist, Dirigent, Komponist, Dozent. Und wie Cerha liegt der Schwerpunkt seines Schaffens bei der neuen Musik – wobei Holliger als Interpret auch im Bereich der Barockmusik wie in jenem des klassisch-romantischen Repertoires Wesentliches gesagt und zu sagen hat (vgl. «Mittwochs um zwölf» vom 21.05.19).

Das erwies sich einmal mehr bei dem von ihm geleiteten Konzert des Kammerorchesters Basel im restlos ausverkauften Musiksaal des Basler Stadtcasinos (das sei immer so bei ihnen, sagt dazu Marcel Falk, der Geschäftsführer des Orchesters). Mit bewundernswerter Agilität besteigt er seinen Platz auf dem Podium, mit der für ihn bekannten Überzeugungskraft hat er die (auch hier wieder grossartige) Solistin Sol Gabetta und das Orchester für die Erarbeitung des so gut wie unbekannten Cellokonzerts Benjamin Brittens gewinnen können, mit seiner ausgeprägten Empathie hat er die «Hebriden»-Ouvertüre von Felix Mendelssohn Bartholdy und die Sinfonie Nr. 3, Es-Dur, von Robert Schumann zu intensiven Erlebnissen werden lassen. Dies nicht zuletzt dank seinem ausgeprägten Sensorium für die Instrumentation, das in der «Rheinischen» zu unerwarteter, fruchtbarer Präsenz der Bläser geführt hat.

Vor dem Konzertbeginn (und wenige Wochen vor seinem 85. Geburtstag) wurde Heinz Holliger nun also von Maximilian Eiselsberg nach einer Laudatio der Alban-Berg-Ring übergeben. Holliger bedankte sich gerührt. Was seine Verdienste um Bergs Musik angehe, käme er an Friedrich Cerha nie und nimmer heran; er dürfe aber gestehen, dass Berg zusammen mit Schumann, Schubert und Debussy zu seinen vier Lieblingskomponisten zähle. So sehen wir denn neugierig einem weiteren Blick Heinz Holligers auf ein Stück Alban Bergs entgegen.

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