Olga Pashchenko spielt das d-Moll-Klavierkonzert Mozarts
Von Peter Hagmann
Der Schock, den der Einstieg auslös, ist durchaus spürbar. Die Synkopen, mit denen die Streicher Mozarts Klavierkonzert in d-Moll KV 466 eröffnen, sie wirken hier drängend, nervös, aufgeladen – das hervorragende Ensemble Il Gardellino, vom Konzertmeister Evgeny Sviridov angeführt, stellt das mit aller Energie, aber in transparentem, federndem Klang heraus. Mit von der Partie ist auch das Soloklavier. Olga Pashchenko spielt ein wunderschönes Pianoforte, den Nachbau eines Instruments Anton Walters von zirka 1792; sein Diskant glänzt, seine Bässe klingen samten und kraftvoll zugleich. Da und dort tritt das Soloinstrument mit einem Augenzwinkern aus dem einleitenden Orchestertutti heraus – doch in dem Augenblick, da der Solopart einsetzt, scheint ein veritables Ausrufezeichen auf. Die erste Note, ein Viertel, das als eine Art Auftakt gehört werden kann, dehnt Olga Pashchenko fast zu einer Fermate aus. Und schon sind die Ohren gespitzt.
Sie sind offen für das phantasievolle Auszieren ihres Parts, dem sich die Solistin, hier als prima inter pares, mit Leidenschaft hingibt, ganz besonders in der mit Sentiment, aber ohne Larmoyanz gegebenen Romanze des zweiten Satzes. Mozart hätte nichts dagegen gehabt, als Komponist am Soloinstrument spielte er ja auch nicht aus den Noten, die wurden oft erst nach der Uraufführung niedergeschrieben. Zugespitzt gilt das für die Kadenz im Kopfsatz, von der keine Niederschrift existiert – klar, Mozart hat sie extemporiert. Olga Pashchenko tut es ihm gleich; sie spart dabei nicht an geistreichen Überraschungen. Später, an einer Stelle in der Kadenz zum dritten Satz, lässt sie sogar den Komtur aus «Don Giovanni» hinter dem Vorhang hervorzwinkern.
Den Komtur? Was hat diese Opernfigur in dem Instrumentalkonzert zu suchen? Tatsächlich legt Olga Pashchenko das d-Moll-Konzert keineswegs in dem düsteren, bisweilen schwerfälligen Ton an, wie er bis heute in den Konzertsälen verbreitet ist. Spritzig, energiegeladen, bisweilen wütend kommt das Stück in ihrer Auslegung daher. Natürlich ist sie sich der Nähe des Klavierkonzerts zum Requiem bewusst. Doch mehr noch zieht sie das theatrale Moment an, die Verbindung zur Oper «Don Giovanni», einem Stück ebenfalls in d-Moll. Mit dem angeblichen Frauenhelden hat sie nichts am Hut, ihre Ablehnung mag in mancher Passage des Soloparts zur Geltung kommen. Jedenfalls sieht sie Mozarts Klavierkonzert in d-Moll in einem grösseren Kontext und lässt das aufscheinen. Das ist Interpretation im genuinen Wortsinn.
Gelöst und entspannt die Romanze in der Mitte, ein Feuerwerk das Allegro assai des Finalsatzes. Überall ist historisch informiertes Spiel in durchaus subjektiver Ausgestaltung zu erleben. Ganztaktige Phrasierung, klare Abwechslung zwischen gebundenem und gestossenem Spiel, pikante Akzentsetzung, geschärfte Farbgebung etwa durch die mit Stopftechnik arbeitenden Hörner und ein Temperament sondergleichen gibt es hier zu erleben. Die auf einer CD von Alpha publizierte, aber auch im Netz greifbare Auslegung des berühmten d-Moll-Klavierkonzerts von Mozart – sie ist ein Must. Ganz einfach.
Wolfgang Amadeus Mozart: Konzerte für Klavier und Orchester in d-Moll KV 466 und A-dur KV 488. Olga Pashchenko (Hammerklavier), Il Gardellino. Alpha 942 (1 CD, Aufnahme 2021, Publikation 2024).