Eine Schumann-CD mit Matthias Goerne und Markus Hinterhäuser
Von Peter Hagmann
Vorhang auf für die ersten Salzburger Festspiele. Nein, nicht die ersten an sich, aber doch die ersten, die voll und ganz von Markus Hinterhäuser verantwortet werden. Angesichts der Strahlkraft dieser Aufgabe könnte leicht untergehen, dass Hinterhäuser nicht nur Intendant ist, sondern auch und ebenso sehr Musiker: Pianist. Daran erinnert eine sehr besondere CD, die er zusammen mit Matthias Goerne vorlegt – mit dem Bariton, mit dem er 2014, in der ersten der drei von ihm konzipierten Ausgaben der Wiener Festwochen, Schuberts «Winterreise» in einem szenischen Arrangement von William Kentridge gestaltet und im Rahmen zahlreicher Gastspiele in die Welt getragen hat. Die beiden sind vertraut miteinander, das ist auf Anhieb zu hören. Und zu verstehen ist auch, dass eine so klar auf das Leise, auf das Innerliche, auf das Innehalten ausgerichtete Aufnahme nur entstehen kann, wenn zwischen den Beteiligten vollkommene ästhetische Übereinstimmung, ja Freundschaft herrscht.
Die neunzehn Lieder Robert Schumanns, welche die CD präsentiert, führen von der Sammlung «Myrthen» aus der Zeit unmittelbar nach dem Liederfrühling von 1840 bis weit ins Spätwerk, für welches etwa das «Abendlied» von 1851 steht. Der Aufbau des Programms folgt aber weder der Chronologie noch den Textdichtern, er zeichnet vielmehr thematische und atmosphärische Kurven, wie sie aus vielen von Markus Hinterhäuser für Salzburg erdachten Konzertprogrammen bekannt sind. Um Einsamkeit und Melancholie geht es, um Abschied und Tod, um die Liebe, die «zu Tränen nur gemacht», und die Nacht, in der kein Stern zu sehen ist – so hat es Nikolaus Lenau in seinem Gedicht «Der schwere Abend» in Worte gefasst. Einfache Kost ist das nicht; den Kreuzweg zu durchschreiten verspricht jedoch mannigfache Belohnung.
Denn wie Schumann mit den (qualitativ durchaus unterschiedlichen) Texten umgeht, zeugt eindrücklich von des Komponisten Sinn für prägnant gefasste Ausssagen, ja für Vokale und Konsonanten – und überdies von der ungebrochenen Kreativität auch in den Jahren der Schwermut. Radikal reduziert erscheint bisweilen die Schreibweise, und die beiden Interpreten scheuen keinen Augenblick davor zurück, diese Radikalität in der Umsetzung spürbar werden zu lassen. «Über allen Gipfeln ist Ruh»: In dem berühmten «Nachtlied» Goethes spiegeln sie den von keinem Laut gestörten Naturzustand in einem sehr langsamen Tempo und in Pausen, die ebenso wichtig werden wie das Klingende. Sie bilden damit ab, was Text und Musik meinen, und lassen zugleich die Fragilität des geschilderten Moments spüren. Mit seiner ganz in der Tiefe ruhenden Stimme singt Matthias Goerne in einer Zurückhaltung, wie sie sich gewagter kaum denken lässt – ohne dass er irgendetwas demonstrieren oder zelebrieren müsste. Und Markus Hinterhäuser steht mit einer Aufmerksamkeit und einer klanglichen Zartheit an Goernes Seite, die des Pianisten Erfahrung im Begleiten von Liedern, aber auch seine Affinität zu langsamer, stiller Musik wie etwa jener von Morton Feldman zu erkennen geben. Äusserst mutig, diese CD. Und grossartig dazu.
Robert Schumann: Einsamkeit – Lieder. Matthias Goerne (Bariton), Markus Hinterhäuser (Klavier). Harmonia mundi 902243.