Trotz finanzpolitischem Gegenwind blickt das Luzerner Sinfonieorchester entschieden nach vorn
Von Peter Hagmann
Die Absage an das Projekt «Salle Modulable» durch das Luzerner Kantonsparlament im Herbst 2016 war schon ein arger Stoss für die Kultur. Dazu kommen dieses Jahr nun aber erhebliche Einsparungen, auch und gerade im Bereich der Kultur. Einer, der trotz der Hiobsbotschaften den Kopf oben behält und tatkräftig nach vorne schaut, ist Numa Bischof Ullmann, der Intendant des Sinfonieorchesters Luzern. Die von ihm geleitete Institution hatte eine spürbare Subventionskürzung hinzunehmen, was angesichts der Enge im Budget keineswegs mit links wegzustecken war. Natürlich hat das Orchester wie alle anderen Luzerner Kulturinstitutionen Protest eingelegt, aber Bischof sah darin nicht die einzige Lösung; an der misslichen Finanzlage des Kantons Luzern, die letztlich auf eine verfehlte Steuerpolitik zurückgeht, war nun einmal nichts zu ändern. Der Intendant nahm es vielmehr als seine Aufgabe an, die Substanz des Orchesters zu erhalten – eine echte Herausforderung. Emotional mitgetragen haben sie rund sechstausend Unterstützer, die sich im Rahmen der Spardebatte beim Orchester gemeldet haben.
Sich dieser Herausforderung zu stellen, war möglich, weil das Luzerner Sinfonieorchester nach einem einzigartigen Modell funktioniert. Finanziell ruht der privat, nämlich von einem Trägerverein geführte Klangkörper auf drei ungefähr gleich starken Säulen, so beschreibt es Numa Bischof. Ein Drittel trägt die öffentliche Hand – dies nicht zuletzt darum, weil das Orchester neben seiner Konzerttätigkeit auch am Spielbetrieb im Dreispartenhaus des Luzerner Theaters beteiligt ist. Ein zweites Drittel kommt von privater Seite, von Sponsoren, aber auch einer Stiftung, die von Bischof ins Leben gerufen wurde, um die Zahl der im Orchester fest angestellten Musiker auf eine professionelle Höhe zu bringen. Das dritte Drittel schliesslich ist selbst erwirtschaftet: durch den Verkauf von Abonnementen und Einzelkarten für die Konzerte. Das Modell funktioniert, die Tätigkeit trägt ihre Früchte, der Geschäftsbericht zur Saison 2016/17 weist einen positiven Abschluss und, vor allem, bemerkenswerte Steigerungen im Verkauf von Einzelkarten und Abonnementen aus. Beim Luzerner Sinfonieorchester zeigt sich, dass für das Konzert, ja selbst das Abonnementssystem keineswegs das Ende aller Tage erreicht ist.
Gute Stimmung herrscht im KKL, wo das Luzerner Sinfonieorchester seine Konzerte gibt. Der Saal mit seinen 1850 Plätzen ist fast ganz belegt, die Konzerte müssen sogar doppelt geführt werden – und die durchschnittliche Auslastung von 89 Prozent spricht ihre eigene Sprache. Heute Abend ist kein Geringerer als Truls Mørk angekündigt. Der norwegische Cellist hat beim Orchester eine Heimat gefunden, ähnlich wie der Pianist Oliver Schnyder, der mit den Luzerner Musikern die fünf Klavierkonzerte Beethovens erarbeitet und bei Sony auf CD herausgebracht hat. Jetzt aber gilt die Aufmerksamkeit dem Cellokonzert von Edward Elgar, dessen Schönheit Truls Mørk auf seinem venezianischen Instrument aus dem frühen 18. Jahrhundert zu voller Blüte bringt. Auch hören lassen darf sich der Stimmführer der Celli; er spielt ein Instrument von Francesco Rugeri aus dem Jahre 1690, das von privater Seite für das Orchester gekauft worden ist und ihm zur Verwendung überlassen wird. Herrlich gelingt das Konzert Elgars. Bisweilen bleibt es etwas langsam, wofür der Dirigent James Gaffigan mit unaufdringlicher Konsequenz sorgt. Aber die Tempi stimmen überein mit dem melancholischen Grundzug, den der Solist in seiner Deutung betont.
Schon hier fallen die Leichtigkeit im Ton und die Helligkeit im Klang auf, den das Orchester mit seinem Chefdirigenten pflegt. Besonders zutage tritt dieser Ansatz bei der Sinfonie Nr. 2 in D-dur von Johannes Brahms – mit durchwegs glücklichem Ergebnis. Eine vergleichsweise kleine Besetzung mit zwölf Ersten Geigen und leicht verstärktem Bass-Fundament ist hier genau das Richtige, es reicht problemlos für den Saal im KKL, in dem auch eine Achte Mahlers gelingen kann. James Gaffigan, mit dem sich die Orchestermitglieder ausgezeichnet zu verstehen scheinen, geht von ruhiger Entspanntheit aus und lässt die Serenität dieser Sinfonie zur Geltung kommen. Das Orchester antwortet ihm mit geschmeidigem Streicherklang und stupenden Leistungen in deren Bläsern, namentlich bei der Flöte und der Oboe, die das Allegretto grazioso des dritten Satzes mit Glanz versehen. Das Adagio des zweiten Satzes erreicht Tiefe ohne Druck, während das wirblige Finale von spritziger Brillanz lebt. Eine Wiedergabe von erster Qualität.
Indessen blickt das Luzerner Sinfonieorchester auch entschieden in die Zukunft. Es baut sich ein Haus, sein eigenes Haus, sein Zuhause. Am Südpol – der nun nicht gerade zentral liegt, der aber kulturelle Bedeutung erhalten dürfte, weil dort auch der Neubau der Luzerner Musikhochschule entstehen soll – am Südpol baut sich das Orchester nicht einen neuen Konzertsaal, es residiert ja im KKL, sondern vielmehr ein Probenhaus: ein Haus für die Arbeit. Privat finanziert durch die für die Orchestervergrösserung eingerichtete Stiftung und betrieben vom Trägerverein des Orchesters, soll dort der Probensaal entstehen, der dem Orchester fehlt. Soll es ausserdem Räume geben, in denen die Musiker üben können – Musik ist bekanntlich mit Geräusch verbunden, was nicht in allen Wohnlagen geschätzt wird. Und nicht zuletzt sollen Büros für die Administration sowie Fazilitäten entstehen, in denen das Orchester seine stark ausgebaute Kinder-, Jugend- und Vermittlungsarbeit verwirklichen kann. Zehn Millionen Franken soll das Projekt kosten. Der Wettbewerb hat stattgefunden, gewonnen haben ihn die Architekten Enzmann Fischer & Büro Konstrukt AG, Luzern. Noch dieses Jahr soll der Spatenstich erfolgen, in Betrieb genommen werden soll das Haus Ende 2019. Damit zeichnet sich in der Musikstadt Luzern eine Lösung ab, wie sie in Genf mit dem Neubau von Musikhochschule und Konzertsaal geplant ist. Sieht so das Absterben der klassischen Musik aus?