«Macbeth» in Basel

 

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Am Ziel und restlos verstrickt: Macbeth (Vladislav Sulimsky) und seine Lady (Katia Pellegrino) in Basel / Bild Sandra Then, Theater Basel

 

Peter Hagmann

Macht und Sex, Sex und Macht

Verdis «Macbeth» mit Olivier Py und Erik Nielsen am Theater Basel

 

Zu sehen gibt es hier nun sehr viel – ganz anders als im Opernhaus Zürich, wo «Macbeth» ebenfalls auf dem Spielplan steht und Giuseppe Verdis radikale Schaueroper durch einen Akt des Nicht-Theaters zu eindringlichstem musikalischem Theater wird. In Basel ist Olivier Py am Werk; im Gegensatz zu Barrie Kosky untersucht er auch dieses Stück auf seine untergründiggen sexuellen Ströme – und er tut das so explizit, wie es bei ihm so Sitte. Er zeigt alles beziehungsweise lässt alles zeigen. Wenn König Duncan bei seinem Vasallen Macbeth zu Gast kommt, entledigt er sich erst seiner Statussymbole und dann seiner Kleidung, um sich schliesslich splitternackt in eine Badewanne zu legen und dort sein Marat-Schicksal zu erwarten. In der Folge führt der Dahingemeuchelte, vom Theaterblut gezeichnet, sein Gemächt noch und noch ins Licht. Auch die Hexen dürfen ihre für gewöhnlich verdeckten Sächelchen herzeigen, es ist eine wahre Freude. Später kämpft sich Macbeth noch über einen Berg ebenfalls nackter Leichen, aber die sind nun aus Plastik. Genau so wie die Krähen, die als kleine Reverenz an die Zürcher Produktion vom Rhein an die Limmat grüssen.

So ist es nun einmal bei Olivier Py. Wer diese Regiehandschrift nicht mag, bleibt besser fern, es gibt ja eine Alternative. Nicht nur das Nackte, auch das Grobe gehört bei ihm dazu. Wenn zu Beginn des vierten Akts die Hoffnungslosigkeit ihren tiefsten Punkt erreicht hat und das Volk von Schottland sein Schicksal beklagt, tut es das im Schatten einer enormen Diktatorenstatue – die am Ende der Nummer pünktlich und krachend zu Boden fällt. Dass der von Henryk Polus einstudierte Chor des Theaters Basel, dessen Damen wieder reichlich Vibrato einbringen und damit die die erwünschte klangliche Homogenität stören, hier seine Sache ganz ausgezeichnet macht und einen grossartigen Moment musikalischer Dichte erzeugt, wird durch das Getöse des fallenden Monuments brutal zerstört. Einmal mehr wird offenbar, mit wie wenig entwickelter Musikalität Musiktheater in Szene gesetzt werden kann. Oder wie sehr sich die Kraft des szenischen Bilds gegenüber dem als Zusammenspiel unterschiedlicher Kräfte gedachten Kunstwerk Oper verselbständigen kann. Dessen ungeachtet ist festzuhalten, dass Pierre-André Weitz die Ausstattung virtuos konzipiert und die Haustechnik sie meisterlich realisiert hat.

Doch das ist nur die eine Seite. Was Olivier Py zu «Macbeth», zu Verdi und zu Shakespeare zu sagen hat, das zeigen die intelligenten Antworten, die der Theologe, Autor, Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter dem Dramaturgen Pavel B. Jiracek im Programm gibt. Es ist weitaus anregender als das, was an diesem Abend im Theater Basel zu sehen ist. Denn jenseits des Plakativen bleibt die Basler Produktion im Konventionellen oder im Ungefähren stecken. Das liegt an einem Mangel an Hinwendung des Regisseurs zu den dramatis personae. So sehr sie – man könnte fast sagen: im Stil des italienischen Ausstattungstheaters – dem schlagkräftigen Bild zustrebt, so wenig Aufmerksamkeit schenkt die Inszenierung den einzelnen Figuren; sie bleiben darum Chiffren, ja Schemen. Gewiss zeigt Py das Geschehen von «Macbeth» nicht als eine reale Wirklichkeit, sondern vielmehr als eine Wirklichkeit des Unterbewusstseins – die Omnipräsenz des Waldes, als szenische Metapher auch aus anderen Inszenierungen dieses Regisseurs bekannt, mag dafür stehen. Aber welcher Art die Keimzelle des Dramas ist, nämllich die Beziehung zwischen Macbeth und seiner Gattin, dass sich hier die krankhafte Skrupellosigkeit einer Frau der ebenso krankhaften Abhängigkeit, ja Hörigkeit eines schwachen Mannes bedient, das wird nicht wirklich fassbar.

Auch musikalisch nicht. Katia Pellegrino (Lady Macbeth) verfügt über eine tadellos ausgebaute Tiefe und eine strahlkräftige Höhe, der Übergang zwischen Brust- und Kopfstimme ermangelt jedoch der Kontrolle. Ebenso fehlt es an Piano-Kultur – wohingegen das Forte mächtig beeindruckt, aber doch arg der Konvention des italienischen Starkgesangs verpflichtet bleibt. Das Bedrohliche, das schauerlich untergründige Streben kommt daher ebenso wenig zum Ausdruck wie der Zusammenbruch in der Schlafwandlerszene – und schon gar nicht zu hören ist, dass Verdi bei dieser Figur an eine ganz und gar unübliche vokale Ästhetik gedacht hat: an eine Ästhetik des Hässlichen. Vladislav Sluminksy (Macbeth) kommt seiner Partie näher. Er bringt ein obertonreiches Timbre ein, beherrscht die italienische Technik ausgezeichnet und profitiert von vorbildlicher Diktion, doch so weit im Ausloten der Extreme, wie es Markus Brück in Zürich tut, geht der Bariton aus Weissrussland nicht. In den kleineren Partien glänzt neben Valentina Marghinotti (Kammerfrau der Lady Macbeth) vor allem Callum Thorpe als Banquo; der britische Bass, der Ende letzten Jahres als Sarastro in Mozarts «Zauberflöte» auffiel, bringt auch hier äusserst gepflegte, klangvolle Sonorität und souveräne Ausgestaltung ein.

Allein, was Verdis Partitur an Spannung enthält, wird in Basel weitaus weniger deutlich als in Zürich. Das liegt auch am Dirigenten. Ohne Zweifel braucht es eine gewisse Offenheit, den exzentrischen Zugang des Dirigenten Teodor Currentzis zu goutieren, doch unter dem Strich fördert er entschieden mehr zutage, als es der konventionelle Verdi-Ton tut. Den verfolgt Erik Nielsen in Basel – klanglich eher schwer als zugespitzt, dafür rhythmisch präzis und energiegeladen. Und das Sinfonieorchester Basel lässt unter der feurigen Anleitung durch den designierten Musikdirektor am Theater Basel hören, dass es sich in sehr respektabler Verfassung befindet.

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