Wahrheiten der Musik

Mozarts «Così fan tutte»
mit dem Kammerorchester Basel

 

Von Peter Hagmann

 

«Ausverkauft» – so heisst es auch an diesem Abend des Kammerorchesters Basel. Kein Wunder, im wunderschön renovierten Musiksaal des Basler Stadtcasinos wird «Così fan tutte» gegeben, das Dramma giocoso Lorenzo Da Pontes, mit dem Wolfgang Amadeus Mozart im Jahre 1 nach der Französischen Revolution für Wellenschlag gesorgt hat. Was es bis heute tut. Selbst in unseren Tagen gibt es Opernfreunde, die dem von Don Alfonso arrangierten Partnertausch mit Vorbehalten begegnen – trotz der Genialität von Mozarts Musik. Und kommt das Stück auf die Bühne, tritt nicht selten heraus, wie hilflos die Regisseure mit der krassen Absurdität von «Così fan tutte» umgehen. Kann es tatsächlich sein, dass die beiden Frauen ihre Geliebten, die ihnen in notdürftiger Kostümierung übers Kreuz die Aufwartung machen, nicht erkennen und auf das Spiel hineinfallen? Und ist effektiv denkbar, dass, wenn der ganze Schwindel aufgeflogen ist, die Frauen düpiert dastehen und die Männer ihre Wunden lecken, doch wieder Friede Freude Eierkuchen eintritt?

An Fragen fehlt es nicht. Unter der Leitung seines Ersten Gastdirigenten Giovanni Antonini – einen Chefdirigenten kennt das sich selbst verwaltende Ensemble nicht – hat das Kammerorchester Basel eine starke, wenn nicht gar die einzige plausible Antwort gegeben. Es hat auf die Musik Mozarts gehört und ihre Expressivität in aller Eindringlichkeit herausgestellt. Schon in der, was das Tempo betrifft, mässig genommenen Ouvertüre liess das historisch informiert, aber nicht durchwegs auf alten Instrumenten spielende Orchester hören, welches Qualitätsniveau es pflegt. Klangschönheit und Expressivität in den Bläsern, Agilität und Vitalität in den Streichern liessen keinen Wunsch offen – ohne Zweifel hat die dem Basler Abend vorangegangene Tournee nach Luxemburg, Paris und Hamburg die Formation zusammengeschweisst und die Interpretation geschärft. Wenn die Emotionen hochgingen, nahmen die Musikerinnen und Musiker, angefeuert durch ihren bisweilen arg schnaubenden Dirigenten, kein Blatt vor den Mund. Während sie in den Momenten des Innehaltens, der Unsicherheit, des Fragens offen waren für jedes Mitfühlen, für jede Zärtlichkeit. Das alles in dem von ebenso eleganten wie präsenten Tiefen getragenen Gesamtklang wie in den teils stupenden solistischen Einlagen.

Glänzenden Reflex fand dieses musikalische Bild im Auftritt von Julia Lezhneva als Fiordiligi. In den letzten Jahren grossartig aufgeblüht, bewältigt die junge Sopranistin die enormen Anforderungen dieser Partie absolut hinreissend. Der besonders weite Stimmumfang, den ihr Mozart abverlangt, bereitet ihr keinerlei Schwierigkeit; ohne Mühe springt sie aus höchster Höhe zwei Oktaven in die Tiefe, und dass dafür ganz unterschiedliche stimmliche Ansätze vonnöten sind, tritt nicht in Erscheinung, so perfekt sind die Register aufeinander abgestimmt und miteinander verschmolzen. Dazu kommen Stilbewusstsein, Phantasie und Mut im Umgang mit Verzierungen, die staunen machen; mit den reichhaltigen, niemals aufgesetzt wirkenden, vielmehr jederzeit emotional unterfütterten Verzierungen, welche die Sängerin einzusetzen wusste, geriet «Per Pietà», ihre grosse Arie im zweiten Akt, zum Höhepunkt des Abends. Allerdings blieb dieses vokale Niveau die Ausnahme. Als Dorabella hielt Susan Zarrabi, eingesprungen für die erkrankte Emőke Baráth, zuverlässig stand, bildete jedoch nicht das hier geforderte Gleichgewicht. Dafür sorgte eher Sandrine Piau, eine hocherfahrene Expertin für die Partie der vorlauten Dienerin Despina. Die Herren dagegen, sie blieben deutlich zurück, weil sie durchs Band zu viel Druck gaben und immer wieder die Balance zwischen vokalem und instrumentalem Ausdruck bedrohten. Als Ferrando zeigte Alasdair Kent schöne Höhe, die er auch im Pianissimo zu nutzen verstand, geriet aber gern in eine unbefriedigende Schärfe, während Tommaso Barrea als Guglielmo mehr Stimmkraft als Gestaltungsvermögen erkennen liess. Konstantin Wolff schliesslich, auch hier mit leicht belegtem Timbre, zeichnete Don Alfonso weniger als gelassenen Aufgeklärten denn als herb fordernden Intriganten.

Mag sein, dass Mängel dieser Art auch auf die szenische Einrichtung des Abends zurückgingen. Salomé Im Hof versah das Geschehen auf dem Konzertpodium dergestalt mit Aktion und Kostüm, dass Mozarts Oper zu veritabler halbszenischer Aufführung kam. Dabei setzte sie ganz auf die komische Seite, womit sie manchen Lacher im Publikum generierte, die Ambivalenz des Stücks aber völlig ausser Acht liess. Das war zu viel des Guten, zudem echt hausbacken, jedenfalls nicht auf dem Niveau des Kammerorchesters Basel.

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