Im Land der versehrten Seelen

«Das grosse Feuer» von Beat Furrer,
Uraufführung im Opernhaus Zürich

 

Von Peter Hagmann

 

Bild Herwig Prammer, Opernhaus Zürich

In seinem Kopf herrscht ein Riesen-Durcheinander. Seine Identität schwankt. Auf der einen Seite fühlt sich Eisejuaz verbunden mit jenem indigenen Stamm aus dem Norden Argentiniens, in dem er aufgewachsen ist, auf der anderen prägt ihn die Sozialisation durch eine Missionsstelle mit ihren strengen Geboten. So zieht es ihn einerseits immer wieder zu seiner schamanischen Tradition, kommuniziert er mit den Tieren und den Bäumen, die zu ihm sprechen. Während er andererseits ein Leben führt, in dem ihm Pastoren das Schreiben und Lesen beibringen, aber auch Gehorsam, ja Unterwerfung fordern. In diesem Gestrüpp dröhnen die Kettensägen und die Lastwagen, die Ladung um Ladung das Biotop des Waldes zerstören – Eisejuaz nimmt selbst daran teil, indem er zeitweise in einem Sägewerk arbeitet. Und dabei auf eine Vielzahl von Menschen stösst, die ihm mit den unterschiedlichsten Forderungen begegnen.

So schildert es die argentinische Schriftstellerin Sara Gallardo in «Eisejuaz», ihrem Roman von 1971. Er ist in einer ganz eigenartigen, bisweilen rohen, bisweilen zärtlichen Sprache gehalten, denn er basiert auf langen Gesprächen mit dem Menschen, der sich hinter dem Namen des Protagonisten verbirgt. Durch einen seiner Studenten ist Beat Furrer auf den Stoff und die Art seiner Präsentation aufmerksam geworden. Dass sich der siebzigjährige Komponist dadurch angezogen fühlte, ist kein Wunder. Seinem unprätentiösen Auftreten entsprechend, gehorcht seine Musik einer Ästhetik des Leisen; der bis ins Feinste aufgefächerte Klang bildet die Grundlage seines Tuns, auch wenn der Verdichtung, ja dem Ausbruch durchaus Raum bleibt – die Vielstimmigkeit von Sara Gallardos Roman fügte sich da nahtlos ein. Auf der anderen Seite macht Beat Furrer kein Hehl aus seiner Wachheit den Zeitläuften gegenüber. Was mit dem Regenwald geschieht und welche Folgen es bis hinein ins Individuelle es zeitigen kann, mag ihm alles andere als gleichgültig sein.

So machte er sich auf die Reise, als ihn vor fünf Jahren ein Kompositionsauftrag des Opernhauses Zürich erreichte. Jetzt ist «Das grosse Feuer», so der Titel von Furrers nunmehr achter Oper, zu einer intensiven, von einem hochstehenden Programmbuch begleiteten Uraufführung gekommen. Das Stimmengewirr der Vorlage hatte den Komponisten dazu angeregt, die Oper ganz aus dem Klang eines Chors heraus zu entwickeln, was umso näher lag, als mit Cantando Admont (Einstudierung Cordula Bürgi) ein hervorragendes, mit Furrers Handschrift seit langem vertrautes Vokalensemble zur Verfügung stand. So gibt es in dieser Oper nur zwei herausgehobene Partien, jene des Eisejuaz, in der Leigh Melrose grossartig zugespitzte Expressivität findet, und jene des Paqui, seines larmoyanten, egozentrischen Gegenspielers aus dem Lager der Weissen – Andrew Moore bringt das haarscharf auf den Punkt. Was hier geleistet wird, auch von der Philharmonia Zürich mit dem Komponisten am Pult, kann nicht genug gewürdigt werden.

Denn Beat Furrers Partitur hat es sich in sich. In ihren Grundzügen ist die Handschrift unverkennbar geblieben. Zu hören ist eine Musik, die über weite Strecken flüstert, die im Instrumentalen von einem hohen Raffinement an Klangfarben lebt, die auch, allerdings sehr diskret, das Geräusch einbezieht und mit all dem die Menschen im Zuschauerraum einlädt, die Ohren zu spitzen. «Das grosse Feuer», zwei ineinander übergehende Akte von insgesamt zwei Stunden Dauer, geht aber insofern einen Schritt weiter, als die Mikrotonalität stark verfeinert ist, was vor allem den Klang des Vokalensembles prägt. Das musikalische Geschehen erhält ausgeprägt glissierende Züge, wobei dieses Glissieren jedoch strukturell gemeint und vom Komponisten bis ins Einzelne gesteuert ist.

Mag sein, dass die blendende musikalische Anlage dem Dramatischen als dem Zentrum einer Oper im Weg steht. Der Schriftsteller Thomas Stangl hat den Roman von Sara Gallardo mit aller Sensibilität den Bedürfnissen eines musikalischen Dramas angepasst – dass die Handlung als solche eher im Hintergrund bleibt, daran hat er nichts ändern können. Natürlich, es gibt die Konfrontation zwischen dem eingeborenen Eisejuaz und dem sich aufdrängenden Kolonisator Paqui, es gibt die am Ende fatalen Annäherungsversuche der Frauen, es gibt den Zeigefinger des Missionars (Hugo Paulsson Stove), all das ändert wenig an dem rituellen Zug, den «Das grosse Feuer» ausprägt. Umso eindrucksvoller, was Tatjana Gürbaca, als Folge einer Erkrankung nur bedingt einsatzfähig, und Vivien Hohnholz (Inszenierung), Henrik Ahr (Bühnenbild) und Silke Willrett (Kostüme) an theatralem Effekt aus der anspruchsvollen Vorlage herausgeholt haben.

Die Bühne ist von einer dicken Mauer umschlossen. Im Inneren ragen verkohlte Stangen in die Höhe, Symbole für den niedergebrannten Regenwald wie für die durch die brutale Kolonisierung versehrten Seelen. Dabei lässt das szenische Team sehen, was die Oper von Beat Furrer und Thomas Stangl hörbar macht: dass eine Vielzahl an Menschen in die schwierigsten Lagen kommt, dass es in ihnen glüht, ja brodelt. Eine enorme Zahl an Mitwirkenden sind auf der Bühne versammelt, jeder Darstellerin, jedem Darsteller ist eine spezifische Funktion zugewiesen, worauf die Kostüme sinnreich aufmerksam machen. Dabei manifestieren sich durchaus auch kontrastierende Kräfte. Die Hauptfigur Eisejuaz beklagt den Verlust seiner seelischen Heimat im zerstörten Wald, das autoritäre Christentum der Weissen lehnt er als Möglichkeit einer neuen Heimat jedoch scharf ab, gibt sich ihm aber gleichwohl hin, wie es «der Herr» aus dem Abfluss einer Küchenspüle beim Reinigen von Gläsern von ihm verlangt hat. Findet «Das grosse Feuer» sein Ende, brummt einem der Kopf. So soll es sein, die Oper ist ja von Beat Furrer.

Haben oder nicht haben

«Manon Lescaut» von Puccini im Opernhaus Zürich

 

Von Peter Hagmann

 

Bild Monika Rittershaus, Opernhaus Zürich

Eine todbringende Gesellschaft ist das, aber lustig anzusehen. Besondere Erheiterung schaffen die beiden Pferde, welche die Omnibus-Kutsche, eine Vorform des öffentlichen Verkehrs, auf die Bühne ziehen. Die Pferde – nun, es sind keine Pferde, sondern Theatertiere, gespielt von Statisten, die ihre Wartezeiten in eher gekrümmter Körperhaltung und mit gewiss nicht übermässig Sauerstoff durchstehen – und sich dabei in ihren liebevoll ausgestalteten Pferdekostümen die Beine vertreten, wie es ihre Vorbilder in natura auch tun. Wieder einmal gibt es in diesem Eröffnungsbild zu Giacomo Puccinis Oper «Manon Lescaut», die das Opernhaus Zürich jetzt ins Programm genommen hat, einen Moment zu erleben, wie es ihn in seiner Überraschungskraft nur live gibt. Am Werk waren dabei nicht nur Theaterpferde, sondern ein Theatertier im wörtlichen Sinn: Barrie Kosky.

Es ist wie immer bei diesem von sprühender szenischer Phantasie lebenden Künstler: Rein äusserlich mag das Bildhafte ausgreifend, vielleicht gar zu üppig erscheinen, zumal sich die Mitstreiter des Regisseurs, in dieser Produktion Rufus Didwiszus für das diskrete, im entscheidenden Moment aber schlagkräftige Bühnenbild und Klaus Bruns für die teils exquisiten, teils farbenprallen Kostüme, nicht zurückzuhalten hatten. Hinter der Unmittelbarkeit des Optischen wirkt aber jederzeit die ganz klar interpretierende Hand. Der von Ernst Raffelsberger tadellos vorbereitete Chor bildet die gesellschaftliche Folie, vor der sich das Drama von Manon Lescaut und ihrem Geliebten Des Grieux ereignet. Dabei geht es nicht so sehr, wie in der Grand-Opéra, um den Kontrast zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten als Zentrum der dramatischen Spannung, gezeigt wird vielmehr der scharfe Gegensatz zwischen dem Oben und dem Unten im Gesellschaftlichen.

Bild Toni Suter, Opernhaus Zürich

Manon ist zwar verliebt in Des Grieux, giert aber auch nach jenem Reichtum, den ihr Geronte di Ravoir offeriert, der ältliche Grossbürger in seinem tadellos sitzenden Anzug und mit seiner furchteinflössenden Hornbrille auf der Nase – Shavleg Armasi nützt diese Kurzauftritte zu einem imponierenden Rollenporträt. Messerscharf herausgestellt wird die soziale Verlaufskurve von der Ankunft im Omnibus über das Austern-Frühstück vor der goldenen, überkitschig verzierten Luxus-Kutsche hin zu jenem klapprigen, nun nicht mehr von Pferden, sondern von schwacher Hand gezogenen Wagen mit den paar wenigen Habseligkeiten, mit dem sich Manon und Des Grieux durch die amerikanische Wüste schleppen. Haben oder nicht haben, das ist die Frage, die bei «Manon Lescaut» im Raum steht. Gestellt wurde sie von Giacomo Puccini im ausgehenden 19. Jahrhundert, der Zeit der wildgewordenen Geldbesessenheit. Und unterstrichen wird sie in Zürich von Barrie Kosky, der daran trotz der fürwahr erheiternden Oberfläche keinen Zweifel lässt.

Laut und deutlich wird sie gestellt, diese Frage. Herrlich laut. Der Dirigent Marco Armiliato, ein herausragender Spezialist des italienischen Repertoires, lässt die Philharmonia Zürich nach Massen aufrauschen. Kernig und körperhaft wirkt der Klang, ausserdem jederzeit vorzüglich ausbalanciert, zugleich aber auch so farbenreich, dass das Händchen für Effekte der Instrumentation, das der noch junge Puccini in seiner Partitur zu erkennen gibt, einen ins Staunen bringt. Davon in keinem Augenblick tangiert ist freilich das Verhältnis zwischen dem Instrumentalen und dem Vokalen; kunstvoll sind die Singstimmen in den Klang des Orchesters integriert: nicht als Teil eines symphonischen Gefüges, sondern mit jener selbstverständlichen Dominanz, die der italienischen Oper eigen ist.

Möglich wird das dank einer erneut erstklassigen Besetzung. In der Partie des unglücklichen Liebhabers Des Grieux geht Saimir Pirgu von Anfang an mit voller Kraft zu Werk, mühelos steigt er in die Höhe und verbreitet dort blendenden Glanz. In Elena Stikhina, der unvergesslichen Zürcher Salome von 2021, steht ihm als Manon Lescaut eine Partnerin zur Seite, die ihm was die Kraftreserven und die Schönheit des Timbres betrifft, in nichts nachsteht. Wie sie dann aber mit ganz und gar zurückgenommenem Ton, ohne jedes Vibrato, die entsetzliche Sterbeszene des vierten Aktes gestaltet, ist von zutiefst berührender Wirkung. Hocherfreulich auch die Wiederbegegnung mit Konstantin Shushakov, der als Manons Bruder Lescaut geschickt und grosszügig mit Bestechungsgeldern umgeht, das Unheil dann aber doch nicht verhindern kann.

So stirbt man. Nicht unter Palmen, sondern unter den Kakteen auf staubtrockenem Boden. Dass der Tod von allem Anfang mit dabei ist, davon spricht der geigende Rattenfänger, der zu Beginn die Menge verführt, davon zeugt aber auch der Kutscher, der auf seinem Hochsitz hinter dem Theaterpferd seinen grinsenden Schädel zur Schau stellt. Ein wenig pflegt Barrie Kosky auch die formale Seite seines Tuns.

In der piccola Scala

Zürich zeigt Verdis «Ballo in maschera»

 

Von Peter Hagmann

 

Bild Herwig Prammer, Opernhaus Zürich

In Zürich, so befand seinerzeit ein in der Limmatstadt umtriebiger Intendant, stehe die am nördlichsten gelegene Oper südlicher Ausrichtung. Ganz falsch war die als Selbstrechtfertigung gedachte Feststellung nicht – in gewisser Weise gilt sie auch heute. Nicht ohne Stolz verweist Andreas Homoki auf den Umstand, dass in den zwölf Jahren seiner Intendanz sechzehn Opern von Giuseppe Verdi auf die Bühne gekommen seien. Tatsächlich? Vielleicht fiel es darum nicht auf, weil die Spielpläne am Hause Homokis immer von ausgesuchter Vielfalt waren und weil sich die szenischen Handschriften doch deutlich voneinander abhoben. Jetzt finden wir uns wieder in einem Moment, da die Vielseitigkeit im Angebot des Zürcher Hauses zu fruchtbaren ästhetischen Weiterungen führt.

Auf die alles andere als unumstritten Produktion von Alfred Schnittkes «Leben mit einem Idioten» in der zugespitzt subjektiven szenischen Lesart von Kirill Serebrennikov (vgl. «Mittwochs um zwölf» vom 06.11.24) folgte mit «Il ballo in maschera» von Giuseppe Verdi keineswegs harmlose Kost, insgesamt aber doch ein Genuss, dem selbst eingefleischte Verdi-Verächter erliegen dürften. Das geht zuallererst auf die Philharmonia Zürich und den von Janko Kastelic vorbereiteten Chor der Oper Zürich zurück; sie tragen beide gleichermassen eine kraftvoll muskulöse Partitur und stellen die Stärken von Verdis Musik in helles Licht. Angefeuert werden sie wie die Solisten auf der Bühne vom Zürcher Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda, der in diesem Repertoire fürwahr zuhause ist und darum aus dem Vollen schöpft. Knackig das Forte, sorgsam ausgearbeitet die Reize der Instrumentation wie die kontrapunktischen Momente – und vor allem: höchst präzis das Rhythmische, zumal die zahlreichen Punktierten, in denen der Abend seine zentrale Energiequelle findet.

Das gilt auch für die auf der Bühne vorgeführte Gesangskunst. Nichts ist da verschliffen, die Töne sitzen exakt auf dem Punkt, der ihnen von Verdi zugedacht war. Und sie verbinden sich mit den denkbar schönsten Timbres und einem Zusammenspiel der Stimmfarben, das Spannung erzeugt und sie bis zum spektakulären, fatalen Schuss am Ende der Oper aufrechterhält. In der Titelpartie des Grafen Riccardo präsentiert sich Charles Castronovo als ein genuiner italienischer Tenor mit Glanz und Schmelz, dazu mit ausgebauter Fähigkeit zu nuancierter Gestaltung. Ihm zur Seite und später, wenn er sich vom treuen zum getäuschten Freund gewandelt hat, als Feind gegenüber steht George Petean als ein mit schwarzem Bariton versehener Renato, der den Umschlag von Vertrauen in Wut packend darstellt. Mit Erika Grimaldi wird Renatos Gattin Amelia durch eine Sängerin mit heller Tongebung verkörpert, während die Wahrsagerin Ulrica bei Agnieszka Rehlis und ihrem herrlich tiefen Alt bestens aufgehoben ist. Für die raschen Umbrüche im Atmosphärischen sorgt souverän Katharina Konradi mit ihrer hohen Beweglichkeit.

Ihre Verwirklichung auf der Bühne finden all diese Auftritte in einer Inszenierung, die nichts anderes möchte, als die Geschichte zu erzählen. Das leuchtet umso mehr ein, als die Spannung, die Verdis Stück innewohnt, im Ansatz der Regisseurin Adele Thomas uneingeschränkt zur Geltung kommt; man spürt auf der Haut, wie sich im zweiten Akt der Knoten schürzt, man atmet mit der Verdichtung im dritten Akt und erschrickt dann angesichts des zwar angekündigten, aber doch überraschend und krass vollzogenen Mords auf der Bühne. Dass sich dieses Attentat inmitten festlichen Gepränges ereignet, gehört zu den Besonderheiten von «Un ballo in maschera». Unverbunden stehen in diesem Werk die Stimmungen nebeneinander, unvermittelt kippen sie – es zu zeigen ermöglicht die Drehbühne der Ausstatterin Hannah Clark. Dass der Schauplatz der Oper der Zensur wegen von Schweden, wo ein König mitten in einem Maskenball ermordet wurde, nach Amerika verlegt werden musste, deutet die Inszenierung subtil an, naheliegendem Gegenwartsbezug geht sie jedoch aus dem Weg. Wichtiger erscheint die Personenführung – und tatsächlich agieren die Darstellerinnen und Darsteller in einer Dringlichkeit, die das Stück aus der durch die Kostüme angedeutete Vergangenheit ins Hier und Jetzt versetzt. Braucht es mehr?

Das Hohelied der Freiheit

«Leben mit einem Idioten» von Alfred Schnittke
im Opernhaus Zürich

 

Von Peter Hagmann

 

Nicht Kirill Serebrennikov, sondern Matthew Newlin als Idiot / Bild Frol Podlesnyi, Opernhaus Zürich

Skandal! In grossen Lettern stand das Wort im Raum, seit eine Zürcher Sonntagszeitung ans Licht gebracht hatte, dass am Opernhaus Zürich vor der Premiere von Alfred Schnittkes Oper «Leben mit einem Idioten» massiv in Libretto und Partitur des Stücks eingegriffen worden sei. Der Schuldige war rasch ausgemacht, es war der Regisseur Kirill Serebrennikov, der dafür bekannt ist, die von ihm inszenierten Stücke seinen interpretatorischen Intentionen einigermassen rücksichtlos anzupassen. Unterstrichen hat Serebrennikov seine Haltung als Interpret durch einen im Programmbuch abgedruckten Satz, der vielsagender nicht sein könnte. Häufig, so meinte er, empfinde er die Musik in der Oper als einengend, sie setze Grenzen, und er als Regisseur müsse das musikalische Narrativ bedienen – was hier, bei «Leben mit einem Idioten», glücklicherweise eben nicht der Fall sei. In der Folge gingen die Wogen hoch; die Vorstellung verlief dann trotz der durch die ausgelösten Provokationen störungsfrei und wurde bejubelt.

Was war geschehen? 1992, als «Leben mit einem Idioten» durch die damals von Pierre Audi zu neuen Horizonten geführte Niederländische Oper Amsterdam zur Uraufführung gebracht wurde, lag die UdSSR in Trümmern, eine erste frische Brise war hinter den Eisernen Vorhang eingedrungen. In diesem Licht steht «Leben mit einem Idioten», eine Erzählung von Viktor Jerofejew, die unpubliziert bleiben musste und die der Autor für Alfred Schnittke zum Operntext umgeformt hat. Das Sujet war scharf gewürzt, die Amsterdamer Uraufführung geriet zu einem Fest – zu einem Fest der befreiten russischen Kunst. Neben Schnittke und Jerofejew war Mstislaw Rostropowitsch mit von der Partie; er dirigierte, zeigte seine Künste als Tango-Spieler am Klavier und brachte mit seinen Kantilenen auf dem Cello Süssstoff ein. Für die schonungslose Inszenierung hatte der legendäre Boris Pokrowski von der Moskauer Kammeroper gesorgt, für die Ausstattung der berühmte Konzeptkünstler Ilja Kabakov. Und wer mit dem Idioten gemeint war, liess die Lenin-Maske des Wowa, Wladimir, genannten Ungeistes leicht erraten. Dem zusammengebrochenen System der Menschenverachtung wurde hier, auch dank der nicht nur polystilistischen, sondern auch anspielungsreichen Musik Schnittkes, ein Abgesang der denkbar grotesken Zuspitzung gesungen.

Von all dem wollte Kirill Serebrennikov nichts mehr wissen. Wer sich heute noch mit Lenin befassen wolle, fragte er rhetorisch? Und Jerofejew doppelte nach mit der Bemerkung, als Opernfigur sei Putin absolut uninteressant. So wurde denn Hand angelegt und eliminiert, was an den implodierten sowjetischen Alltag von damals erinnert. Wowa, das personifizierte Böse, das genuin Zerstörerische, das in eine Ehe eindringt und dort alles kapital durcheinanderbringt, wurde zu «Schätzchen» umbenannt, der Text da und dort neu gefasst. Nicht das Besondere der Lebenssituation von 1992 sollte aufscheinen, sondern das allgemeine Menschliche; der Idiot in jedem von uns sollte ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangen. Als deutender Ansatz lässt sich das nachvollziehen, zumal vor dem Hintergrund dessen, was Serebrennikov im Reiche Putins widerfahren ist. Zugleich gab die Aufführung im Opernhaus Zürich zu erkennen, in welchem Mass der Oper Schnittkes und Jerofejews dadurch die Zähne gezogen werden. Aus der bitterbösen Satire wurde ein dadaistisches Spektakel. Und aus Schnittkes so eigener, eigenartiger Musik eine etwas gewöhnliche moderne Oper.

Gewöhnlich? Nein, vielleicht doch nicht. Insofern nicht, als «Leben mit einem Idioten» in Zürich nicht als Oper erscheint, sondern als Interpretation. Gewiss, die Aufführung einer Oper ohne Interpretation ist unmöglich; als Möglichkeit gezeigt wird hier dagegen die Aufführung einer Interpretation ohne Oper. Uninteressant ist das nicht, wird das Stück doch aus seiner ursprünglichen Befindlichkeit klar in die Jetztzeit verlagert – und auf eine ganz private Ebene, jenes des Regisseurs. Kirill Serebrennikov ist ein Berserker, der die ihm vorliegenden Stoffe gnadenlos in die Hand nimmt. In Zürich ist der Idiot der Regisseur selbst, Matthew Newlin, der seine ungeheuer anspruchsvolle Partie über der Silbe «Äch» mit fulminanter Geschmeidigkeit singt, erscheint im Outfit Serebrennikovs, mithin als Alter Ego des Bühnenkünstlers. Ihm zur Seite steht in einer stummen Rolle und einer hinreissenden Performance der splitternackte Campbell Caspary, der an einem Höhepunkt des Abends in einem Strahlenkranz erscheint. Um Sexualität als Zentrum des Lebens geht es hier, das ungeschminkt denken und offen zeigen zu können, scheint für Serebrennikov, der inzwischen in Berlin lebt, der Inbegriff seiner persönlichen neuen Freiheit darzustellen.

Ort des Geschehens ist ein kahler, weisser Raum, im Hintergrund durch ein ansteigendes Podest begrenzt, von dem aus der ebenfalls ganz in Weiss gekleidete Chor des Opernhauses Zürich, von Janko Kastelic, Johannes Knecht und Ernst Raffelsberger einstudiert, die Vorgänge auf der Spielfläche wie im antiken Drama kommentiert, ja vorantreibt. Viel zu schauen gibt es auf dieser Spielfläche – so viel, dass das Wirken der Philharmonia Zürich im Graben merklich in den Hintergrund gerät. Untadlig agiert wird unter der Leitung des im Bereich der neuen Musik hocherfahrenen Dirigenten Jonathan Stockhammer, doch der klangliche Biss, der als Gegenpol zur szenischen Bildermacht vonnöten wäre, will sich nicht einstellen. Gesungen und, vor allem, gespielt wird jedoch meisterhaft. Dass für die Partie des Ich kein Geringerer als Bo Skovhus gewonnen werden konnte, erweist sich als Glücksfall; der Sänger, der ebenso sehr als Schauspieler geliebt wird, zieht hier alle Register seines Könnens. Ihrem Bühnengatten in keiner Weise nachstehend Susanne Elmark in der Partie der Frau: hochdramatisch ausgestaltet und in jedem Moment packend verkörpert. Mehr als solide bewältigt werden auch die kleineren Aufgaben des Wärters (Magnus Piontek) und des von der Frau innigst verehrten Dichters Marcel Proust (Birger Radde).

Ist am Ende doch etwas viel verpackt in den Abend? Bleibt ausreichend Raum, im Verfolgen der Produktion der Frage nachzugehen, ob sich das Kopf ab mit der Gartenschere nicht schon vor dem ersten Ton ereignet habe, ob das Bühnengeschehen nicht als rückblickende Horrovision des Ich zu lesen wäre? Wie dem auch sei, wer sich über die Dominanz des szenischen Narrativs beschweren möchte, sieht sich am Ende eines Besseren belehrt. Da erklingt nämlich der ergreifende Chor «Herbst» aus Alfred Schnittkes Musik zum Film «Agonie» von Elem Klimov, die, 1982 vollendet, von den russischen Behörden zerstört wurde, später aber rekonstruiert werden konnte. Womit sich der Kreis in eigener Weise geschlossen hätte.

Hohe Kunst – live

Víkingur Ólafsson und Paavo Järvi eröffnen die Saison des Tonhalle-Orchesters Zürich

 

Von Peter Hagmann

 

Eiligen Schrittes, sichtbar tatendurstig, strebt Víkingur Ólafsson seinem Platz am Steinway zu – der Mann hat etwas vor. Ólafsson gehört nicht zu den Pianisten, die den Betrieb am Laufen halten, er sucht und pflegt das Besondere. Die vergangene Saison, 2023/24, widmete er einem einzigen, allerdings schwergewichtigen Werk: den «Goldberg-Variationen» Johann Sebastian Bachs, die er auf einer Reise über den gesamten Globus an insgesamt 88 Abenden aufgeführt hat. Ein Projekt solcher Art ist ihm möglich, weil er tief in die Musik eintaucht, ihr Inneres erkundet und ihren Kontext ausleuchtet; das verleiht ihm die Kraft, seine Interpretationen nicht nur stetig zu verfeinern, sondern sie auch am Leben zu erhalten. An einem Leben notabene, das dem wachen Zuhören auch bei angeblich bekannten Stücken neue Dimensionen erschliesst.

So war es auch beim Klavierkonzert Nr. 1 in d-Moll von Johannes Brahms op. 15, mit dem er die Saison 2024/25 des Tonhalle-Orchesters Zürich und zugleich seine Präsenz als Künstler im Fokus eröffnete. Sehr getragen ging Paavo Järvi den Kopfsatz an: maestoso, wie Brahms es verlangt, aber nicht basslastig, nicht schwer im Klang, wie es so oft geschieht. Dies erkennbar in Absprache mit dem Solisten, dem es nicht um Kraft und Geläufigkeit ging – beides ist bei Ólafsson in mehr als ausreichendem Mass vorhanden –, sondern um das Singen und das Artikulieren. Herrlich schwangen die Bögen aus, und zugleich waren sie durch Satzzeichen gegliedert, woraus sich eine spezifische Vitalität ergab. Besonders eindringlich geriet das Adagio des Mittelsatzes: erfüllt von Emotionalität und getragen durch eine ausgeprägte Gemeinsamkeit des Musizierens zwischen dem Solisten und dem Tonhalle-Orchester, das mit letzter Aufmerksamkeit und allem Erfolg bei der Sache war. Auch im abschliessenden Rondo dominierte das «non troppo», mit dem Brahms die Ausführungsbezeichnung «Allegro» ergänzt hat – vielgestaltiges Konzertieren stellte sich hier ein. Der Einstieg in die Zürcher Residenz Víkingur Ólafssons geriet fulminant; er machte neugierig auf die Fortsetzung.

Zu Wort kam am Eröffnungsabend in der Grossen Tonhalle Zürich auch Anna Thorvaldsdottir, Jahrgang 1977, aus Island stammend wie Víkingur Ólafsson. Sie nimmt in dieser Saison die Funktion des Creative Chair ein. Seit Paavo Järvi an der Seite von Ilona Schmiel das künstlerische Sagen hat, treten Regionen in Erscheinung, die hierzulande unterbeleuchtet sind, und mit ihnen weniger vertraute ästhetische Ansätze. «Archora», das Orchesterstück von 2022, bot Musik, die ganz aus der Tiefe kommt und aus ihr eine Fülle an Farbwirkungen gewinnt. Strukturelles Denken scheint hier weniger im Vordergrund zu stehen, der Gegensatz etwa zur Neuen Komplexität Brian Ferneyhoughs könnte grösser nicht sein. Auch die Arbeit an Entwicklungsverläufen, wie sie die zentraleuropäische Musik so entscheidend geprägt hat, ist offenbar nicht von Bedeutung; das Stück, mit dem sich Anna Thorvaldsdottir vorstellte, erscheint mir eher wie Magma, das sich unablässig verändert und gerade dadurch Interesse weckt. Auch hier blickt man weiteren Begegnungen mit Spannung entgegen.

Schliesslich, als orchestrales Prunkstück, «L’Oiseau de feu», die erste Ballettmusik, die Igor Strawinsky 1910 für Serge Diaghilev geschrieben hat; an diesem Abend wurde sie in Form der Konzertsuite von 1919 gespielt. Ein Fest für das Tonhalle-Orchester Zürich, es zeigte sich in Bestform. Das geht auch auf Paavo Järvi zurück, der die Fäden sehr geschickt in der Hand hielt. Mit kleinen, nur das Nötigste, das jedoch klar anzeigenden Bewegungen steuerte er das Orchester, das darum nicht zu früh in Ekstase geriet. Die dynamischen Werte waren auf das Sorgfältigste kontrolliert, die Farben der raffinierten Instrumentation Strawinskys funkelten um die Wette. Und als es dann in im Finale ums Ganze ging, stand der Klang grossmächtig im Raum, freilich ohne je die Grenzen der akustischen Kapazität zu tangieren. Grandios. Und ein Erlebnis, wie es sich eben nur live, nur im Konzertsaal einstellt.

Ungleiche Paare

«Ariadne auf Naxos» im Opernhaus Zürich

 

Von Peter Hagmann

 

Der Komponist (Lauren Fagan), hingerissen und mitgerissen von Zerbinetta (Ziyi Dai) / Bild Monika Rittershaus, Opernhaus Zürich

Viel ist es nicht, was aus den langen Jahren der Intendanz Alexander Pereiras am Opernhaus Zürich in Erinnerung geblieben ist. Sicher gehört dazu «Ariadne auf Naxos» von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, eine Produktion aus dem Jahre 2006. Erinnern Sie sich? In dem der Seria-Oper vorgelagerten Buffa-Vorspiel trat der Intendant höchstselbst als jener überhebliche Haushofmeister, der namens seines gnädigen Herrn das Sagen zu haben glaubt, in Erscheinung; etwas laienhaft geriet der Auftritt, aber er hat Spass gemacht. Noch mehr Spass machte das Hauptstück der Seria-Oper, für das der Regisseur Claus Guth seinen Bühnenbildner Christian Schmidt dazu gebracht hat, den zentralen Raum der «Kronenhalle» am Zürcher Bellevue eins zu eins nachzubilden; die wüste Insel, die sich Hofmannsthal gedacht hatte, wurde hier zu einem äusserst gehobenen Ort, an dem sich Zürcher Prominenz, darunter wiederum der Intendant in Person, zum Soupieren versammelte, dabei aber einige Zwischenfälle hinzunehmen hatte und schliesslich das Feld räumte. «Keine Sorge», sagte Andreas Homoki, der zur Eröffnung seiner letzten Spielzeit als Intendant des Opernhauses Zürich «Ariadne auf Naxos» inszeniert hat – «keine Sorge» sprach er ins Mikrophon, als er nach der Pause vor den Vorhang trat: «ich spiele nicht mit». Es gebe nur eine Indisposition anzukündigen. Die Pointe sass.

Sie war nicht die einzige an diesem ebenso erheiternden wie berührenden Abend. Mit einem mitten in den noch erleuchteten Zuschauerraum einfahrenden Schlag des Orchesters hebt das Vorspiel an. Es bietet einen Blick in das turbulente Theater-Leben hinter dem Vorhang – dem wunderschönen, tiefroten, mit goldenen Bordüren versehenen Hauptvorhang, der kräftig am Spiel mitwirkt. Temporeich und in expliziter Körpersprache, allerdings ohne Grenzüberschreitung zur Charge, entwickeln sich die Vorbereitungen für die Soirée im Palais des reichsten Mannes von Wien. Spielleiter, von Hannah Clark in das theatergemässe Schwarz gekleidet und mit Funkgerät versehen, ist der Haushofmeister, der jeden in den Senkel stellt – der grosse Kurt Rydl, der das Singen aufgegeben, sich von der Bühne jedoch nicht verabschiedet hat, macht das herrlich. Zu seinen Opfern zählt der Komponist, der «Ariadne auf Naxos» geschaffen hat und jetzt gespannt der Aufführung entgegensieht, vom Haushofmeister aber ultraschlechte Nachrichten entgegenzunehmen hat – was Lauren Fagan in dieser Hosenrolle an vokalem Ausdruck wie an Körpersprache bietet, setzt hohe Massstäbe. Den Ärger des Künstlers vermag auch sein Lehrer nicht abzumildern, doch immerhin erreicht Martin Gantner mit seiner souveränen Präsenz, dass die Sache nicht implodiert. Keine einfache Aufgabe angesichts der Forderung des Mäzens, dass «Ariadne auf Naxos» nicht nur eine Ergänzung durch eine Opera buffa erhalten soll, sondern dass beide Stücke zur gleichen Zeit gespielt werden sollen.

Ein Riesen-Tohuwabohu ergibt sich da über die anfangs leere, sich aber zusehends füllende Bühne von Michael Levine. Techniker, auch sie alle in Schwarz, arrangieren raumhohe Wände, rollen einen Teppich aus, fahren Wagen mit Möbeln und Kleiderständer heran. Dazu gibt es Eifersüchteleien, Zusammenstösse, Überraschungen aus dem Bühnenhimmel, dass es eine Art hat. Im Zentrum die grosse, von Homoki sorgsam als eine Versammlung von Individuen ausgestaltete Truppe rund um die kecke Zerbinetta; was hier an wohlorganisiertem Durcheinander zu sehen ist, entspricht durchaus dem Gewusel der Instrumentalstimmen in der Musik von Richard Strauss. Zusammengehalten wird das alles durch Markus Poschner am Pult der klein, aber speziell besetzten Philharmonia Zürich. Poschners Strauss-Ton neigt klar zum Muskulösen, bisweilen gar Handfesten, was die kammermusikalische Anlage der Partitur unterspielt. Zugleich ist aber doch sehr viel zu hören – von den speziellen Farbeffekten bis hin zu den witzigen Anspielungen und Zitaten. Hinreissend ist aber vor allem das Temperament, mit dem Poschner das Vorspiel durchzieht und es in seiner ganzen Verrücktheit zeigt. Er tut es so eindringlich, wie Homoki in seiner szenischen Zubereitung eine grosse Liebeserklärung an das Theater abgibt. Ausgesprochen gut gelaunt begibt man sich in die Pause – sehr wohl in der Annahme, dass man mit dem Vorspiel die heimliche Hauptsache kennengelernt hat.

Dabei: Hauptsache ist der Operneinakter «Ariadne auf Naxos», ist die von Hofmannsthal etwas breit ausgelegte Reflexion über Verlust, Verwandlung und Neubeginn. Die wüste Insel ist hier ein in der schwarzen Leere stehendes Ehebett, auf dem die trauernde Ariadne liegt, wenn sie nicht zu ihren Medikamenten greift. Doch zuerst dringt noch die Zerbinetta-Truppe ins Geschehen – mit ihrem Versuch, die Trauernde über den Verlust des geliebten Theseus hinwegzutrösten (und die Verbindung zum Vorspiel herzustellen). Da schlägt denn die Stunde der Chinesin Ziyi Dai, die nicht nur die halsbrecherischen Koloraturen der Zerbinetta fabulös meistert, sondern dazu noch akrobatisches Geschick zeigt. Dann aber der Auftritt von Daniela Köhler als Ariadne, eine junge Sängerin mit grosser, allerdings auch zu berückendem Piano fähiger Stimme, mit hervorragender Diktion und bestechender szenischer Präsenz. Ihr begegnet in John Matthew Myers als der erlösende Halbgott Bacchus ein Tenor mit Kraft und Glanz. Klar, der Hauptteil wirkt weniger sexy als das Vorspiel, darin liegt ein Problem des Stücks, das auch die virtuose Zürcher Produktion nicht zu lösen vermag, zumal sich der orchestrale Ton von jenem des Vorspiels kaum abhebt. Und das Thema der Verwandlung, es bleibt abstrakt. Dass sich zwei Menschen begegnen und durch die Begegnung mit dem Gegenüber bei gewahrter Individualität zu etwas anderem werden, das ereignet sich jeden Tag. Was die Verwandlung jedoch genau bedeutet, wie sie zu schaffen wäre, das lässt Hofmannsthal nicht nur Ariadne fragen, sondern auch sein Publikum bedenken. Vielleicht sogar über den pathetischen Schluss und jenen Moment hinaus, da der Haushofmeister/Spielleiter in einer letzten Erinnerung ans Vorspiel nochmals auf der Bühne erscheint und mit einem Fingerschnippen den Blackout auslöst.

Vom Leben, vom Tod

Monteverdis «L’Orfeo» im Opernhaus Zürich

 

Von Peter Hagmann

 

Orfeo (Krystian Adam) und La Speranza (Simone McIntosh) an der Pforte zur Unterwelt / Bild Monika Rittershaus, Opernhaus Zürich

Die Toccata zu Beginn des Stücks, sie erklang als ein regelrechter Weckruf – und als solcher wirkte und wirkt sie bis heute. Fast fünfzig Jahre sind vergangen, seit das von Claus Helmut Drese geführte Opernhaus Zürich mit der Produktion von «L’Orfeo» unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt und Jean-Pierre Ponnelle den entscheidenden Anstoss zur Wiederentdeckung Claudio Monteverdis, ja eines ganzen Teils der Musikgeschichte gegeben hat. Die alte Musik hat sich zu einem eigenen Sektor im musikalischen Leben entwickelt, mit eigenen, spezialisierten Interpreten, eigenen Festivals, eigenen Labels und vor allem mit einer eigenen, ebenso in die Tiefe wie in die Breite gewachsenen Stilistik. Obwohl Harnoncourt, rasch zur Galionsfigur der Bewegung geworden, von allem Anfang an betont hatte, es gehe nicht um musikalische Archäologie, sondern um die Wiedergewinnung einer vergessenen Kunst für das Hier und Jetzt, musste doch einige Zeit vergehen, bis die historisch informierte Aufführungspraxis diesen Aspekt zuzulassen und zu verinnerlichen in der Lage war. Heute hat das Spektrum der Interpretation alter Musik ungeahnte Vielfalt erlangt.

Zu erleben ist das in der neuen Produktion von Monteverdis «L’Orfeo», die das Opernhaus Zürich in seinen Spielplan aufgenommen hat. Geradezu verhalten, zurückgenommen wirkt die eröffnende Toccata; sie wird erst von den Zinken und den Posaunen allein, dann von den Streichern mit dem Basso continuo, schliesslich vom gesamten Orchester dargeboten. Der Weckruf war gestern, heute gilt es der Interpretation. In der feinfühligen, gescheiten Sichtweise des Regisseurs Evgeny Titov setzt sie auf eine Dramaturgie des Rückblicks, und das nimmt des hauseigene Barockorchester La Scintilla mit Ottavio Dantone als Dirigenten am Cembalo in beeindruckender Weise auf. Das Leise herrscht vor, man muss die Ohren spitzen, kann dann aber eintauchen in eine musikalische Welt voller Farben – dies nicht zuletzt dank dem reich besetzten, geschmeidig agierenden Basso continuo. Ist die Toccata vorbei und hat auch die allegorische Einleitung durch La Musica, die in der Darstellung der wunderbaren Sopranistin Josè Maria Lo Monaco Trost und Kraft verspricht, ihr Ende gefunden, sieht man Orfeo auf einem Steinbrocken sitzen und mit einer Pistole spielen, neben sich den blütenweissen Sarg mit der toten Euridice drin.

Es ist das Gegenteil dessen, was Monteverdis Partitur vorgibt. Die ausgelassene Hochzeit zwischen Orfeo und Euridice, der fatale Schlangenbiss, Orfeos Gang in die Unterwelt, der endgültige Verlust Euridices, das hat alles schon stattgefunden. Was den neuen Zürcher «Orfeo» bestimmt, ist der Blick zurück in die unmittelbare Vergangenheit mit den Momenten des allerhöchsten Glücks und der allertiefsten Verzweiflung. Ist das Eintauchen in die seelische Verfasstheit eines Menschen, in der es nichts als Wunden gibt. Das Bühnenbild von Chloe Lamford und Naomi Daboczi spricht davon. Es zeigt zwei riesige verkohlte Baumstämme oder, wenn man will, zwei enorme dunkelgraue Lavabrocken. Der Eingang zur Unterwelt wird angedeutet durch eine frei im Raum stehende, zweiflüglige Tür in barocker Formensprache; ihr Medaillon über dem Türrahmen zeigt das Gesicht des Schiffers Caronte, das mit einem Mal zu singen beginnt. Dem prachtvollen Bariton von Mirco Palazzi, dem man wenig später in der Partie des Totengottes Plutone wieder begegnet, hält Orfeo all seine Kunst entgegen – Krystian Adam gestaltet seine Partie aus ungeheurer Empathie und einer Emotionalität heraus, die ganz direkt berührt. Jedenfalls erliegt ihr nicht nur der Fährmann am Flusse Styx, sondern auch Proserpina; was Simone McIntosh mit ihrem lieblichen Timbre an Wärme in das ganz in kalter Sachlichkeit gehaltene Intérieur der Chefetage im Totenreich einbringt, ist von ergreifender Wirkung.

Eine Schrecksekunde nur dauert die Grenzüberschreitung, der von Plutone ausdrücklich verbotene Blick, den Orfeo seiner Euridice schenkt und sie dadurch endgültig verliert. Miriam Kurowatz, von der Kostümbildnerin Annemarie Woods ganz in Weiss gekleidet, gibt die Euridice als Lichtgestalt, Orfeo dagegen versinkt in schwere Depression. Ottavio Dantone nimmt den Ansatz des Regisseurs subtil auf; zart und weich klingt dieser «Orfeo», darin liegt auch ein Moment jenes Trostes, den La Musica zu Beginn angesprochen hat. Orfeo hilft es nicht. Wenn zum Schluss sein Vater Apollon auftritt, kommt durch das sternenglitzernde Kostüm des Gottes und die glänzenden Lineaturen seines Darstellers Mark Milhofer ein helles Licht in das düstere Geschehen. Und noch einmal zeigt die von Marco Amherd vorbereitete Zürcher Sing-Akademie, in welch entscheidender Weise sie die Produktion belebt – diesmal aus hoch gelegenen Logen im halb erleuchteten Zuschauerraum. Dann: Blackout, ein Schuss im Dunkeln, eine letzte Kadenz – von lieto fine keine Spur. Ein Abend geistreich interpretierenden Musiktheaters.

Carmen und Don José – beide in sich gefangen

Bizets Opera-comique im Opernhaus Zürich

 

Von Peter Hagmann

 

Escamillo und Don José im Hahnenkampf, Carmen schaut zu / Bild Monika Rittershaus, Opernhaus Zürich

Ach ja, die Zigarre. Grossformatig prangt sie zurzeit von den Zürcher Plakatwänden – versteht sich: Das Opernhaus Zürich zeigt «Carmen», die Opéra-comique von Georges Bizet. Doch die Zigarre, sie tritt nicht auf. Wenn die Glocke läutet und sich die Arbeiterinnen auf dem Platz vor der Zigarrenfabrik eingerichtet haben, wird ein Tableau vivant sichtbar. Und jede Menge Rauch. In der Hand tragen die Damen jedoch – Zigaretten. Ein kleiner witziger Hinweis auf die Aufführungstradition des vielgespielten Werks und zugleich, erzielt durch Verfremdung, ein Zeichen der Absage. Tatsächlich versucht Andreas Homoki in seiner Inszenierung von «Carmen» nach Massen, von den Klischees der Ausstattung, die sich dem Werk angelagert haben, wegzukommen und einen eigenen Weg der Annäherung zu finden. Dabei geht er, ähnlich wie in seiner Arbeit an Richard Wagners «Ring des Nibelungen», auf eine Art Urzustand zurück: auf den Moment der Uraufführung von «Carmen» im Frühjahr 1875 an der Opéra-Comique in Paris.

Für dieses legendäre Haus hat Homoki im letzten Jahr seine Inszenierung entworfen – als eine Hommage an einen geschichtsträchtigen, in seiner Atmosphäre bis heute einzigartigen Ort des musikalischen Theaters. Von Paris ist diese szenische Einrichtung jetzt nach Zürich gekommen, und mit ihm die Pariser Bühne selbst. Der leere Bühnenraum als Ort des Geschehens, das war die Idee. Um sie auch in Zürich zum Tragen zu bringen, wurde die Pariser Bühne mit ihren dunklen Backsteinwänden kurzerhand nachgebaut – ein neuerliches Meisterstück. Und hinzugefügt hat der Bühnenbildner Paul Zoller einen wunderprächtigen Theatervorhang in leuchtendem Rot, mit bunten Verzierungen und goldenen Seilzügen. Einen Vorhang eben, hinter dem sich die Geheimnisse des Theaters verbergen. Nicht zuletzt diente er dem Regisseur dazu, den Raum zu gliedern und das szenische Geschehen zu rhythmisieren.

In diesem Ambiente zeigt Homoki die tragische Geschichte von Carmen, die Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der gleichnamigen Novelle Prosper Merimées gebaut haben, auf einer Zeitschiene, die vom Jahr der Uraufführung bis in unsere Gegenwart reicht: als ein Geschehen, das, wie das immer aufscheinende Licht im Zuschauerraum unterstreicht, uns sehr direkt angeht. Im Eröffnungsakt dominieren neben den aufmüpfigen Arbeiterinnen keine Soldaten, sondern Damen und Herren aus der gehobenen Pariser Gesellschaft des Fin de siècle, die befremdet zuschauen, zugleich aber rasch in Raufereien ausbrechen können. Herrliches Schauvergnügen bieten die Kostüme. Überdies sind sie so individuell geschneidert, wie deren Träger als einzelne Persönlichkeiten in der Gruppe gezeichnet sind – eine grossartige Leistung des von Janko Kastelic hervorragend vorbereiteten Chors der Oper Zürich und des in ihn integrierten Kinderchors. Mittendrin und doch in je eigener Weise verloren: Don José, der Unteroffizier, und Carmen, die nicht so sehr als Zigeunerin denn als eine aus innerstem Antrieb heraus selbstbestimmte Frau erscheint.

Der zweite Ort auf der Zeitschiene liesse sich in Annäherung an die Aufführungstradition als das Lager einer Schmugglerbande identifizieren, doch erinnern die traurigen Gestalten, die da ihre Habseligkeiten herbeitragen, auch an Bilder von versehrten Gesellschaften; tatsächlich blickte, wie Volker Hagedorn im Programmbuch nachdrücklich schildert, die Bevölkerung von Paris im Jahr der Uraufführung von «Carmen» auf schwierigste Zeiten zurück. Hier schlägt die Stunde von Mercédès (Niamh O’Sullivan) und Frasquita (Uliana Alexyuk) auf der einen Seite, von Le Dancaïre (Jean-Luc Ballestra) und Le Remendado (Spencer Lang) auf der anderen; ihre Ensembles finden zu spritziger Virtuosität. Derweil spitzt sich der Konflikt zwischen Carmen und Don José bedrohlich zu, dies unter dem Einfluss des Stierkämpfers Escamillo, der sein männliches Selbstbewusstsein in fast beiläufiger Ruhe ausspielt und auch im Moment der Niederlage gegen Don José seine Würde elegant zu wahren weiss – stimmlich wie darstellerisch bringt Łukasz Goliński dieses Rollenporträt zu umwerfender Wirkung. Nicht minder eindrucksvoll erscheint Natalia Tanasii in der Partie der treuherzigen Micaëla; mit ihrer starken vokalen Ausstrahlung und ihrer spürbaren Empathie holt sie die Botschafterin aus Don Josés früherem Leben aus dem Nebel der Nebenrolle.

Das Finale schliesslich spielt im Hier und Jetzt. Partygänger mit Flaschen und Konfetti bevölkern die Bühne; ohne Platz in der Arena, verfolgen sie den Einzug der Stierkämpfer am Fernsehschirm. Schon leert sich der Raum, stehen sich Carmen und Don José gegenüber – einsam, in ihren Positionen gefangen. Und sticht der Mann zu: ein Femizid, wie er heute erschreckend alltäglich geworden ist. Das Schaudern bleibt in dieser schönen, allerdings auch etwas beiläufigen Produktion jedoch aus.  Die Zeitschiene, die sich Andreas Homoki ausgedacht hat, entfaltet nicht jene bezwingende Überzeugungskraft, die sie an den Tag legen müsste. Zudem sorgt Gianandrea Noseda am Pult der Philharmonia Zürich zwar für sorgfältige Artikulationen und klare Farbgebungen, noch mehr aber für die Kraftmeierei, die bei dieser Partitur so nahe liegt. Und ihr so wenig gut tut.

Besonders ins Gewicht fallen die Probleme jedoch bei der Besetzung der Hauptrollen. Marina Viotti ist vieles, nicht zuletzt eine Sängerin mit hörbarem Potential. Eine Carmen ist nicht, für diese Rolle fehlen ihr noch das szenische Temperament, die musikalische Ausstrahlung, die Fähigkeit zu Expansion und Veräusserung. Viele ihrer Arien, gerade die Habanera am Beginn, bleiben farblos; die Todesarie beim Kartenlegen im dritten Akt gerät ihr dagegen äusserst berührend. Bei Saimir Pirgu liegt der Fall anders. Mit seinem baritonal gefärbten, muskulösen Tenor gibt er einen Don José, dem das Scheitern ins Leben eingeschrieben ist und der darauf mit explosiver Wut reagiert. Dass er ein zutiefst verunsicherter Mann ist, der Mutter kaum entwöhnt, dem Sturm von Carmens Weiblichkeit und ihrem ungeheuren Selbstbehauptungswillen keinen Augenblick lang gewachsen, das bleibt unterbelichtet. «Carmen» ist freilich mehr als eine Studie zur Emanzipation der Frau und ihren Folgen.

Im Feuer, und wie

Rafael Payare beim Tonhalle-Orchester Zürich

 

Von Peter Hagmann

 

Mit dem Konzert gehe es bergab, bald werde das immer ältere Publikum ausgestorben sein. Nach Diversität wird deshalb gerufen – nach Frauen, nach musikalischen Menschen mit anderer als weisser Hautfarbe. Auch nach geteilter Verantwortung und, vor allem, nach der Abkehr von Traditionen im Repertoire und den Darbietungsformen. Ein bisschen etwas davon verwirklichte das Gastspiel von Rafael Payare beim Tonhalle-Orchester Zürich. Der nicht mehr ganz so junge Dirigent, er ist heute 44 Jahre alt, stammt aus Venezuela und hat wie Gustavo Dudamel seine künstlerischen Wurzeln im sozial-musikalischen Projekt El Sistema von José Antonio Abreu. Sein Instrument ist das Horn, im Símon Bolívar Symphony Orchestra nahm er die Position des Solohornisten ein. Dort kam er auch in Kontakt mit Claudio Abbado, später assistierte er Daniel Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden Berlin. Inzwischen hat er in der Landschaft der grossen Orchester hat er seinen Platz gefunden; seit der Saison 2022/23 ist er als Musikdirektor beim Orchestre Symphonique de Montréal tätig, dies als Nachfolger von Kent Nagano.

Da hat es also einer geschafft. Hat er es geschafft, weil er hierzulande postulierten Anforderungen an Diversität genügt, weil er Protektion von erster Stelle aus genossen hat? Vielleicht. Die Herkunft des Dirigenten aus Südamerika und seine exorbitante Haarpracht, sie mögen ihre Wirkung getan haben; dazu kam ein wundervolles Ohrwurm-Programm mit Peter Tschaikowskys erstem Klavierkonzert und der Tondichtung «Ein Heldenleben» von Richard Strauss – der Saal war jedenfalls ausgezeichnet besetzt, und das keineswegs nur mit den gerne geschmähten Vertretern des Silbersees, sondern auch mit Turnschuh-Publikum. Jenseits dessen wurde vor allem aber deutlich, dass Rafael Payare über eine immense Begabung verfügt und dass er sie in fruchtbarer, ja begeisternder Weise einzusetzen versteht. Mit einer Ausstrahlung sondergleichen nimmt er das Orchester mit, seine Blicke, seine Gesten sind für alle da, wenn es erforderlich ist. Und seine Einsicht in die Partituren, in deren Strukturen wie deren Emotionen, dringt noch und noch ans Licht.

So steigerte denn Payare die Brillanz, die in Tschaikowskys berühmtem b-Moll-Konzert angelegt ist, zu einem mit Ah und Oh aufgenommenen Feuerwerk. Es konnte das tun, weil er in Kirill Gerstein mit einem Solisten zusammenarbeitete, dem, so der Eindruck, keine Grenzen gesetzt sind. Enorm seine Fingerfertigkeit (die ihm ganz selbstverständlich erlaubte, immer wieder Blickkontakt zu konzertierenden Orchestermitgliedern aufzunehmen), überwältigend seine Kraft (die freilich den Steinway an seine Grenzen brachte), ja überhaupt seine Phantasie, mit der er das perkussiv angelegte Soloinstrument zum Singen und zum Jubeln in den allerschönsten Klangfarben brachte. Und unter der anfeuernden Zeichengebung Rafael Payares kostete das Tonhalle-Orchester Zürich seinen Part nach Massen aus. Glücklichstes Zusammenspiel und vollendetes Glück des Zuhörens.

Nicht weniger muskulös ging Payare das «Heldenleben» an. Selber ein Musiker, der mit ungeheurem Körpereinsatz dirigiert, dem Orchester aber nirgends den Atem nimmt, stellte er heraus, dass mit dieser ausladenden, überreich mit Ideen und Farbwirkungen genährten Tondichtung ein Komponist vors Publikum trat, der dem Ungestüm seiner Jugendlichkeit freien Lauf liess (und der unter anderem genau dafür von seinen Kritikern gescholten wurde). Das Orchester liess sich das nicht zweimal sagen und stürzte sich mit hörbarer Lust ins Getümmel – kraftvoll, doch jederzeit kontrolliert in Dynamik, Balance und Färbung. Mit seinen virtuos bewältigten solistischen Einlagen zeichnete der Konzertmeister Andreas Janke Madame Strauss als eine ebenso zänkisch aufbegehrende wie hingebungsvoll säuselnde Gattin, die Trompeter verliehen den Reden der Feinde, die den Komponisten verfolgen, alle Schärfe, und schliesslich öffnete sich der Raum für jene Behaglichkeit, die zu den musikalischen Kennzeichen von Richard Strauss gehören. Mag sein, dass in einem helleren, lockerer gefügten Klangbild, wie es etwa Lorin Maazel so blendend pflegte, der ironische Boden, auf dem das in Musik gegossene Selbstporträt ruht, noch besser spürbar wird. Davon ist Rafael Payare noch weit entfernt, und das darf so sein.

Wie auch immer: Diversität hin oder her – in der etwas aufgeheizten Debatte fällt gerne unter den Tisch, dass es beim Musizieren weder um Geschlecht noch um Hautfarbe noch um Herkunft geht, sondern einzig und allein: um die Qualität des Tuns.