Grau in Grau

Michael Wertmüllers Oper «Diodati. Unendlich» in Basel

 

Von Peter Hagmann

 

Bild Sandra Then, Theater Basel

Es ist wie bei E. T. A. Hoffmann. Draussen herrscht miserables Wetter, es regnet heftig und ohne Pause, also bleiben die sechs Personen, die für diesen Moment in ihrem Leben zusammengefunden haben, drinnen im Wohnzimmer und beginnen, sich Geschichten zu erzählen. Doch der Schein trügt, denn in Wirklichkeit ist es nicht wie bei E. T. A. Hoffmann, der im Rahmen einer solcherart erfundenen Situation dem Leser die spannendsten Geschehnisse ausbreitete. Es ist wie bei Dea Loher, und bei der 55-jährigen Dramatikerin aus Berlin geschieht so gut wie nichts. Die fünf Menschen um Lord Byron, die in der Genfer Villa Diodati festsitzen, stellen zwar fest, dass es anhaltend regnet, sie postulieren sogar, sich Geschichten zu erzählen, am liebsten recht grausige, zum Beispiel vom Monster Frankenstein, das tötet, was er liebt, aber ihre Aufmerksamkeit gilt ausschliesslich ihnen selbst. Jeder ein Ich, überlebensgross – so wie es heute üblich ist. Wenn etwas verhandelt wird, dann sind es die lebhaft übers Kreuz gespannten Beziehungen, die jeweils umstandslos ins Konkrete umgesetzt wurden und dementsprechend nicht ohne Folgen blieben.

So hat «Diodati. Unendlich», der jüngste Operntext von Dea Loher, durchaus mit unserer Gegenwart zu tun, und damit das ohne jeden Zweifel fassbar wird, kommen deutliche Zeichen der Zeit ins Spiel: das wie die Villa Diodati in Genf liegende CERN mit seinem Teilchenbeschleuniger und der Versuch, einen Menschen zu klonen – oder ein verstorbenes Kind wieder zum Leben zu erwecken. Dabei steht alles mit allem in Verbindung oder eben nicht. Der Regisseurin Lydia Steier oblag die Aufgabe, aus diesem Plot eine Handlung zu machen, mithin das extrem Verschachtelte des Textes auf eine wenigstens minimale narrative Linie zu bringen. Sie meisterte das mit ihrer enormen Assoziationskraft, ihrer bildlichen Phantasie und der hoch entwickelten Ausstrahlung auf die Darsteller – und das ohne Verrat an der strukturellen Idee des Librettos. Auf der äusserst belebten Bühne von Flurin Borg Madsen und in den farbenfroh expliziten Kostümen von Ursula Kudrna gab es jedenfalls reichlich zu schauen und ziemlich zu rätseln.

Wenn nur die Musik nicht gewesen wäre. Wie Michael Wertmüller, der 1966 in Thun geborene Schlagzeuger und Komponist, die Vorlage von Dea Loher in Musik gesetzt hat, kann einem gewaltig auf den Geist gehen – die Aussage mag als professionelle Reaktion auf eine Uraufführung daneben sein, nur: Hier stehe ich und kann nicht anders. Nicht die ungewöhnliche Lautstärke, für die der wilde, unbotmässige Schüler Dieter Schnebels bekannt ist, steht im Zentrum. Nein, das mit einer Pause drei Stunden währende Stück ist musikalisch von einer Langeweile sondergleichen – trotz der handfesten Mitwirkung der erweiterten Band Steamboat Switzerland. Die Partitur arbeitet mit einem Stilmix, der unter dem Strich zu einem musikalischen Grau in Grau führt. Sie schichtet komplexe Verfahren aufeinander, die sich im Zusammenwirken gegenseitig auslöschen. Und sie setzt bisweilen auf repetitive Muster, die aber nur kurz zur Geltung kommen und darum nichts von jenem Sog auslösen, der aus der Minimal Music bekannt ist. Angesichts dessen ist besonders zu bewundern, wie sich das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Titus Engel und der fabelhafte, von Michael Clark vorbereitete Chor des Theater Basel auf die Sache eingelassen haben – und mit welch unglaublichem Engagement das ausgezeichnet besetzte Vokalensemble die überaus anspruchsvollen Partien bewältigt hat. Das Theater Basel hat etwas gewagt, etwas ganz Besonderes, das ist grossartig genug. Dass der Schuss nach hinten hinausging, gehört zum Risiko.

Der Tod als ein Stück Leben

Verdis «Traviata» am Theater Basel

 

Von Peter Hagmann

 

 

Corinne Winters als Violetta in Basel / Bild Sandra Then, Theater Basel

Fast trotzig, jedenfalls recht energisch – und energischer, als es einer Sterbenskranken anstünde – hebt Violetta im dritten Akt von «La traviata» ihr eigenes Grab aus. Natürlich nicht in ihrem Schlafzimmer, sondern auf einem Friedhof, und der besteht in der neuen Basler Produktion von Giuseppe Verdis Oper aus regelmässig aufgereihten Matratzen; an deren Kopfenden legen die Teilnehmer am Karnevalsumzug, der gewöhnlich nicht sichtbar wird, hier aber als Gemeinschaft von Trauernden über die Bühne zieht, Blumengebinde und Totenkerzen nieder. Rabenschwarz ist dieses Ende – aber doch nicht ganz so finster, wie es der Komponist und sein Librettist Francesco Maria Piave erdacht haben. Violetta nimmt nämlich ihre letzten Worte ernst; sie steht zwar im Grab, deutet aber an, dass sie ins Leben zurückkehre und darob in Freude ausbreche – und so hält sie bis zum Schluss ihre Arme hoch und die Augen leuchtend offen. Der Tod als ein Stück Leben, als ein Abschluss in Frieden, nachdem sie den Mann, mit dem sie die Urgewalt der Liebe entdeckt hat, noch einmal hat an sich drücken können.

Das ist so berührend wie alles, was Corinne Winters an diesem denkwürdigen Abend im Stadttheater Basel über die Rampe bringt. Der Regisseur Daniel Kramer entwickelt seine Inszenierung für das Theater Basel – sie wird im nächsten Frühjahr an die English National Opera London weitergehen – aus aus der Protagonistin heraus, indem er das Geschehen am Körper und am Singen der Darstellerin aufzäumt. Wie in Claude Debussys Oper «Pelléas et Mélisande», in der sie 2016 im Opernhaus Zürich mit einer überraschenden, ja schockierenden Auslegung der weiblichen Titelfigur von sich reden machte, ist Corinne Winters in Verdis «Traviata» nicht das blasse, fragile, von der Tuberkulose gezeichnete und darum von heftigen Stimmungsschwankungen heimgesuchte Mädchen, als das sie gerne gesehen wird. Im ersten Akt erscheint ihre Violetta kraftvoll, geradezu sonnengebräunt. Mit Lust stürzt sie sich in die ziemlich wüste Party, die Lizzie Clachan (Bühne) und Esther Bialas (Kostüme) in einem reich bestückten, chromblitzenden, rundum verspiegelten Salon arrangieren. Und wenn sie das von Alfredo angestimmte Brindisi aufnimmt, geschieht das mit einigem Applomb. Umso bestürzender wirkt der Moment, da sie sich im Spiegel erblickt und die Züge der Krankheit erkennt.

Was für einen Kontrast dazu bietet der zweite Akt. Hier dominiert nicht der Schein, hier geht es allein um das Sein: um die Liebe in ihrer ganzen Wahrhaftigkeit. Darum ist die Drehbühne vollkommen leergeräumt. Im Zentrum ein simples Doppelbett, das sich sanft wie eine Schaukel hin- und her bewegt. Links eine Reihe Blumen, die an den originalen Spielort erinnern: an ein Landhaus in der Nähe von Paris. Sowie ein kleines Erdloch mit Häufchen, wie es dann etwas grösser im Finalakt erscheinen wird – aber nicht ein Miniatur-Grab, sondern die Stelle, an der Alfredo eine Pflanze einsetzt: eine Pflanze der Hoffnung. Pavel Valuzhyn gibt den scheuen jungen Mann ebenfalls ganz aus seiner Erscheinung und seinem Timbre heraus. Wenn er will und soll, findet er zu einem strahlenden, auch warmen und geschmeidigen Forte. Häufiger hält er sich jedoch, das verlangt sein Rollenporträt, in tieferen dynamischen Bereichen auf – und da hat er einiges an seidiger, hauchiger Klanglichkeit zu bieten. Allerdings sind die beiden dynamischen Bereiche nicht wirklich miteinander verbunden; bisweilen klingt es, als träte der Sänger mit zwei Stimmen auf.

Für Ivan Inverardi in der Rolle des Giorgio Germont gilt das nicht. Mit seinem Kreuz, das er sich über die Kravatte gelegt hat, erscheint er ganz und gar als der gestrenge, um nicht zu sagen: bösartige Vater Alfredos. Sängerisch steht sein Auftritt klar in der italienischen Tradition: majestätisch der Bariton, ausgeprägt das Vibrato, geschmackvoll die Portamenti. Szenisch allerdings ist die Figur wohl doch zu einseitig gezeichnet. Dass bei diesem älteren Herrn, was Violetta betrifft, noch anderes als normatives Denken und Egoismus mitspielen könnte, wird nicht einmal angedeutet – wie auch der Konflikt zwischen Vater und Sohn einigermassen handzahm bleibt, trotz der Spucke, die Alfredo seinem Vorfahren auf die Wange wirft.

Corinne Winters freilich, sie findet in dieser Landhaus-Szene zu sich selbst – vielleicht gerade darum, weil sie keine Arie hat, vielmehr stets im Dialog agiert und daraus besondere Energie gewinnt. Ihre Stimme ist eher dunkel gefärbt und hat einen sicheren Anker in einer wohlgestützten Tiefe. Mühelos steigt sie von dort in die Höhe, die Register sind ganz hervorragend ineinander übergeführt, ihr Legato ist von exzellenter Dichte, während das farbliche Spektrum, das sie in der Mittellage auszubreiten vermag, betörende Richesse zeigt. Dazu kommen die Durchdringung einer Partie, für die sie mittlerweile zwischen London, Hongkong und Melbourne gesucht ist, und eine einzigartige Identifikation mit ihr. Wie sie das Schwinden des Widerstands gegen die grenzüberschreitenden Forderungen von Vater Germont spüren lässt, ist schon bewegend genug; wie sie unmittelbar vor der erzwungenen Trennung von Alfredo ihren Geliebten noch einmal um eine Versicherung seiner Liebe bittet, bildet aber fraglos den emotionalen Höhepunkt des Abends – da werden nur wenige Augen trocken geblieben sein.

Der Moment wirkt auch so stark, weil er aus dem Graben durch eine Empathie sondergleichen gestützt ist. Am Pult steht Titus Engel. Eher als Spezialist für neue Musik bekannt, 2016 in Basel gerühmt für die musikalische Leitung in der grandiosen Produktion von Karlheinz Stockhausens «Donnerstag aus Licht», dirigiert er Verdis «Traviata» zum ersten Mal. Fast scheint es, als sei für den Dirigenten damit ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen, denn auch er dringt mit aller Hinwendung in die Partitur ein. Er hält das Basler Sinfonieorchester, das ihm in seltener Einmütigkeit folgt, diskret präsent und sorgt für manch überraschenden instrumentalen Akzent. Vor allem aber entwickelt er äusserst stimmige Tempi und griffige rhythmische Verläufe; selten wird so deutlich, dass «La traviata» über weite Strecken im Dreiermetrum geschrieben ist. Nicht zuletzt atmet er sorgsam mit den Sängern und bietet ihnen damit die Basis, auf der sie sich entfalten können: ein geborener Maestro concertatore.

Brutal dann der Umschlag im zweiten Bild des zweiten Akts, wo es zurück geht in einen Pariser Salon, diesmal den von Flora Bervoix (Kristina Stanek), und wo es zum dramatischen Höhepunkt kommt. Sehr bühnenwirksam, dass das Bett der Landhaus-Szene nun der Spieltisch wird, auf dem die Scheine noch und noch zu Alfredo wandern und auf dem er Violetta schliesslich das gewonnene Geld ins Gesicht schleudert. Und effektvoll, wie genau in diesem Moment der Vater dasteht. Das zeugt von Handwerk – genau gleich, wie der überdrehte Auftritt des übrigens hervorragenden, inzwischen von Michael Clark geleiteten Chors viel Sinn für verspielte Ironie erkennen lässt.

Stockhausen in Basel

 

Kindergeburtstag bei Stockhausens / Bild Sandra Then, Theater Basel

 

Peter Hagmann

Vom Irdischen ins Kosmische

«Donnerstag» aus «Licht» von Karlheinz Stockhausen in Basel

 

Schon kurz nach Beginn ist die kleine, aber zentrale Szene zu sehen. Hinter den Glasscheiben des mächtigen Vielecks, das die Bühne im Theater Basel beherrscht, wird Familie gespielt. Um einen runden Tisch sitzen Kinder, sie tragen übergrosse Köpfe aus Pappmaché. Der Bub hat Geburtstag, die Mutter bringt einen grossen Kuchen mit brennenden Kerzen, die der Bub ausbläst. Der Vater – er trägt Knickerbocker aus Leder und hebt immer wieder männlich seinen Bierkrug – tätschelt dem Sohn lobend auf den Rücken, der Bub wiederum wirft sich seinem Vater an die Brust, doch der weist ihn ab und setzt ihn hart auf seinen Stuhl zurück. Bleibt die Mutter, die alsbald mit einem glänzenden Geschenk anrückt und den Sohn, der dann ihr um den Hals fällt, lange herzt.

So kurz sie währt, ist diese mehrfach wiederholte Schlüsselszene doch von hoher emotionaler Wirkung. Und sie sagt, worum es in «Donnerstag» aus dem siebenteiligen Opernzyklus «Licht» von Karlheinz Stockhausen geht: um Karlheinz Stockhausen. Um sein Heranwachsen in den dunklen Zeiten zwischen 1933 und 1945 und um den Verlust der geliebten Mutter – die der Schwermut verfällt, die vom Vater, einem strammen Parteisoldaten, verlassen wird und schliesslich in einer Tötungsanstalt dem Giftgas zum Opfer fällt. Der Arzt als Sadist, der Patient als wehrlos gemachtes Opfer, das ist das Thema des ersten Akts – die Regisseurin Lydia Steier lässt in der Ausstattung von Barbara Ehnes (Bühne) und Ursula Kudrna (Kostüme) keinen Zweifel daran.

Und das im Theater Basel, das es zum Abschluss der ersten Spielzeit unter dem neuen Intendanten Andreas Beck gewagt hat, den sechsstündigen Abend mit Karlheinz Stockhausen zu stemmen. Eine Tat, fürwahr, und mehr noch: ein Erlebnis voll praller Sinnlichkeit und ein Moment erhellender Erfahrung. Denn «Donnerstag», der erste, 1977 begonnene und 1981 an der Mailänder Scala uraufgeführte Teil von Stockhausens musiktheatralischem Konzept zu den sieben Tagen der Woche, zeigt die Wurzeln und die Verankerung des «Licht»-Zyklus – nicht zuletzt in den Ideen, die Richard Wagner im «Ring des Nibelungen» entwickelt hat.

Getrennt und neu zusammengefügt

Den Anfang macht ein «Gruss» im geräumigen Foyer des Basler Stadttheaters, ein ironisch gebrochenes Vorspiel im Big-Band-Stil. Worauf ein erster Akt Michael einführt, die erste der drei Hauptfiguren von «Licht» und den Ich-Erzähler, dessen Namen auf eine kindliche Prägung Stockhausens durch eine Heiligenfigur zurückgeht. Deutlich wird hier sogleich – das zu verwirklichen gelingt der Basler Produktion überaus eindrücklich –, wie in «Licht» das Vokale, das Instrumentale und das Gestische als Parameter des szenischen Ausdrucks getrennt werden und sich in der Folge neu zusammenfügen. Wie jede der drei Hauptfiguren wird Michael von einem Sännger (dem Tenor Peter Tantsits), einem Instrumentalisten (dem Trompeter Paul Hübner) und einer Tänzerin (Emmanuelle Grach) dargestellt – eine neue Art artifizieller Vitalität stellt sich hier ein.

Vieles davon ist in der Partitur – sogar im Textbuch, das leider nur online zur Verfügung seht – explizit und detailliert festgehalten. Lydia Steier hält sich an manches, aber lange nicht an alles, sie konkretisiert die vom Komponisten erdachten Bilder oft in eigener Weise. Dadurch ergibt sich eine klare Fasslichkeit, das Gefühl für einen Zeitverlauf, ohne dass es darob zu einer geschlossenen Narration käme; hie und da stellt sich sogar die Assoziation an die «Europeras» von John Cage ein. Von Stockhausens Erb(inn)en wurde der Ansatz der Regisseurin akzeptiert, im Zuschauerraum anwesend war Stockhausens Lebensgefährtin Kathinka Pasveer, die den langen Prozess der musikalischen Einstudierung entscheidend mitgestaltet hat und die in der Aufführung selbst das Mischpult steuert. Denn selbstverständlich ist jeder der beteiligten Akteure verstärkt, wird der Klang vielfach in den Raum verteilt und mit voraufgezeichneter oder elektronisch erzeugter Musik vermengt.

Von den Jugendjahren aus bricht Michael auf: zu einer Reise rund um die Welt – und das unter der Führung und Verführung Evas, die hier von der Sopranistin Anu Komsi, von Merve Kazokoǧlu am Bassetthorn und von der Tänzerin Evelyn Angela Gugolz verkörpert wird. Allerdings nicht wirklich, denn der zweite Akt bleibt musikalisch rein instrumental. Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel sind links und rechts auf der Bühne postiert, während aus dem zu einem Schlitz reduzierten Graben heraus der Dirigent Titus Engel agiert, der das Geschehen fabelhaft zusammenhält und ihm einen ganz natürlich wirkenden Verlauf schafft. Was das heisst, wenn ein Orchester Oper und Konzert gleichermassen pflegt und wenn dieses Orchester mit neuer Musik so selbstverständlich umgeht, wie es in Basel in den zurückliegenden Jahren mit dem (Konzert-)Chefdirigenten Dennis Russell Davies üblich war – hier ist es zu hören. Zu erleben ist überdies, wie eigenartig vertraut Stockhausens Musik, fünfunddreissig Jahre alt, inzwischen klingt. Die Kerne der Formel, mit welcher der Komponist arbeitet, sind jedenfalls nicht schwieriger zu erkennen als die Leitmotive in Wagners «Ring des Nibelungen».

Läuterung und Anbetung

Von der bebilderten Sinfonie des zweiten Akts aus geht es weiter zum Oratorium des dritten. Hier erfährt Michael, dessen Vokalpart an den Tenor Rolf Romei übergeht, Läuterung und Anbetung – zum Beispiel durch den von Henryk Polus vorbereiteten Chor, der ausgezeichneten Eindruck hinterlässt. Hier kommt sodann die dritte Hauptfigur ins Spiel, weshalb es denn zur Polarität zwischen Michael und Luzifer kommt, der bei Michael Leibundgut mit seinem tiefen Bass, bei dem Posaunisten Stephen Menotti und beim Tänzer Eric Lamb bestens aufgehoben ist. Und wie es sich für einen Komponisten der deutschsprachigen Tradition gehört, wird in diesem Schlussakt auch noch einmal alles erinnert und zusammengefasst – bis hin zu der abschliessenden Sentenz «…kindlich aus Tönen Spiele auszudenken, die selbst in Menschenform noch Engelsseelen rühren: das ist der Sinn des «Donnerstag» aus «Licht». Wer dächte da nicht an die grossen Rekapitulationen in Wagners «Ring»? Szenisch gerät die Produktion hier freilich an die Grenzen; gut einstündigen Jubel eines Chors in Bewegung umzusetzen, ohne dabei in ermüdende Repetition zu verfallen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Entlassen wird man von einem «Abschied», den fünf Trompeter von den Dächern der umliegenden Gebäude erklingen lassen. Die Gefühle sind gemischt, Berührung und Bewegung finden sich durchaus, im Vordergrund steht aber eines, nämlich Respekt: Grossartig, dass das Theater Basel diese Begegnung ermöglicht. Ende September, Anfang Oktober gibt es noch einmal drei Aufführungen.