Mozart-Arien mit Regula Mühlemann und dem Kammerorchester Basel

Von Peter Hagmann

 

Ihre Stimme ist einfach zauberhaft. Glockenrein klingt sie, mit einem reichen Spektrum an Obertönen versehen, was ihr ausgeprägten Glanz verleiht, und dazu kommt eine weiche Rundung im Timbre, die Fülle und Opulenz erzeugt – Regula Mühlemann verfügt über eine vokale Erscheinung von hoher, ja beglückender Individualität. In mancher Hinsicht lässt sie an Edith Mathis denken, ihre ebenfalls aus Luzern stammende, zwei Generationen jüngere Kollegin. Wie ihre berühmte Vorgängerin arbeitet Regula Mühlemann mit einem Höchstmass an technischer Präzision. Jederzeit untadelig Sitz und Führung der Stimme, eindrücklich das Legato, das weite Bögen trägt – und erst die Diktion: herrlich abgefärbt die Vokale, deutlich zeichnend, aber nie schneidend die Konsonanten, dementsprechend grossartig die Verständlichkeit.

Erleben lässt es sich mit einer neuen CD: einer zweiten Sammlung von Mozart-Arien, für die Regula Mühlemann wieder mit dem Kammerorchester Basel und seinem Gastdirigenten Umberto Benedetti Michelangeli zusammengearbeitet hat. Und auch hier finden sich nicht nur bekannte Nummern wie «Deh vieni, non tardar», die Arie der Susanna aus «Le nozze di Figaro», sondern auch Raritäten wie «Amoretti, che ascosi qui siete», jene erstaunliche Cavatina aus «La finta semplice», die Mozart im Alter von zwölf Jahren komponiert hat. Den Auftakt machen «Solitudini amiche» – «Zeffiretti lusinghieri», Rezitativ und Arie der Ilia aus «Idomeneo». Sehr langsam nimmt Regula Mühlemann die Arie, sie führt aber vor, dass sie die Bögen in Spannung zu halten vermag und dass ihr Atem dafür ausreicht. Erst recht gilt das für «In un istante»­ – «Parto, m’affretto», die Klage der Giunia aus «Lucio Silla». Hier zeigt die Sopranistin nämlich ihre Kunst der ganz und gar unangestrengten Koloratur, und sie lässt dabei Perlenketten von unerhörter Ausdehnung glänzen.

Die Bewunderung für das stimmliche Vermögen der jungen Sängerin wird allerdings etwas getrübt durch Defizite in der künstlerischen Ausformung. Mit dem Kammerorchester Basel steht Regula Mühlemann ein Ensemble zur Seite, das über lange Erfahrung im Bereich der alten Musik verfügt und im Instrumentalen bemerkenswerte Horizonte eröffnet. Im Vokalen werden sie zu wenig aufgenommen. Während das Orchester, das in alter Technik, auch in tieferer Stimmung spielt, hörbar macht, wie der reine, gerade Ton eine Dissonanz würzt, pflegt die Sängerin im Grunde jenes durchgehende Vibrato, das in der Vergangenheit geradezu Pflicht war und in der Gesangskunst von heute noch immer lebt, aber doch längst hinterfragt ist. Inzwischen setzen viele Sängerinnen und Sänger auf Differenzierungen im Gebrauch des Vibratos und nutzen erfolgreich die damit verbundenen Erweiterungen des Ausdrucksspektrums. Dasselbe gilt für das sprechende Singen, dem Regula Mühlemann, auch dies gemäss einer Norm von gestern, das ungebrochene Legato vorzieht. In «Ach, ich fühl’s, es ist verschwunden», der schmerzerfüllten Arie der Pamina aus dem zweiten Akt der «Zauberflöte», ruft sie nach Tamino und zieht dabei die dritte Silbe des Namens betont in die Länge, obwohl sie nur ein Achtel dauern und in Pausen führen soll. Es gibt also noch Potential in der schon jetzt hohen Kunst der Sängerin. Und es ist nicht daran zu zweifeln, dass Regula Mühlemann in dessen Erkundung weiter gewinnen könnte.

Mozart Arias II. Regula Mühlemann (Sopran), Kammerorchester Basel, Umberto Benedetti Michelangeli (Leitung). Sony Classical 19439752372 (CD, Aufnahme 2020, Publikation 2020).

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